John F. Kennedy Jr.: Der Wahrheit zu nahegekommen

Zeitlebens wollte John F. Kennedy Junior herausfinden, wer seinen Vater, den Präsidenten, ermordet hatte. Als es ihm durch einen verrückten Zufall endlich gelang und er plante, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, starb er nur zehn Tage später bei einem rätselhaften Flugzeugabsturz.

Kurz nach John Kennedys Tod starb auch sein Polit-Magazin und damit die Ambition, den Bürger wieder politinteressierter zu machen. Als einstiger Gründer zierte JFK Jr. das Titelbild der allerletzten „Lebewohl“-Ausgabe.

Er galt als „der Prinz von Amerika“: schön wie ein griechischer Gott, weltberühmt seit Geburt, finanziell auf Rosen gebettet und darüber hinaus Hoffnungsträger für Millionen, die ihren Traum vom „Camelot im Weißen Haus“ gerne wiederbelebt gesehen hätten, nachdem der einstige so jäh im Kugelhagel von Dallas ein Ende gefunden hatte. Wie wir wissen, wurde „John-John“ ebenso jäh aus dem Leben gerissen wie sein Vater, als er mit seinem Flugzeug unterwegs zu einer Hochzeit vor der Insel Martha’s Vineyard am 16. Juli 1999 zusammen mit Ehefrau und Schwägerin in den Atlantik stürzte, nur gerade 38 Jahre alt. Wenn es kein Unfall war – und den Fakten nach, die Sie in diesem Artikel erfahren, war es kein Unfall –, aus welchem Motiv hätte man den Verleger John F. Kennedy Junior in der Blüte seines Lebens umbringen wollen?

Einiges deutet darauf hin, dass es eine geheime Verbindung zwischen dem Tod des Vaters und dem Tod des Sohnes gibt, die in die mächtigsten Kreise der USA hineinreicht und zu dem drastischen Entscheid geführt haben mag, dass nur der Tod des „Prinzen von Amerika“ noch Schutz bot vor einer Entlarvung, welche die politische Landschaft Amerikas zum Beben gebracht hätte, und eine der prominentesten Politfamilien des Landes entmachtet, die gerade daran war, ein ehrgeiziges politisches Projekt zu verwirklichen.

Hätte John F. Kennedy Jr. nicht den Weg des Verlegers des im ganzen Land erscheinenden George-Magazins eingeschlagen, hätte er den 16. Juli 1999 ziemlich sicher überlebt. Und wäre er nicht sein Leben lang getrieben worden von der Frage, wer hinter dem Mord an seinem Vater steckte, wäre er heute vielleicht Präsident der USA, oder es schon früher gewesen. „Er glaubte, noch alle Zeit der Welt für eine politische Karriere zu haben“, sagte ein Redaktionskollege über John Jr.. Und John selbst meinte einmal, man müsse sich sehr klar darüber sein, dass sich das ganze Leben, beruflich wie familiär, dauerhaft ändere, sobald man sich in die Politik begebe. Daher müsse man es gut planen und wissen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen sei. Was er nicht wollte, war, für den 2000 freiwerdenden Senatssitz seines Staates New York zu kandidieren. Ihn reizte es vielmehr, wie er einer Arbeitskollegin anvertraute, 2002 bei der Gouverneurswahl in seinem Heimat-Bundesstaat New York anzutreten, unter anderem, „weil das noch keiner in meiner Familie gemacht hat“. Alle waren sich einig, dass er mit seinem Hintergrund, Aussehen und Charakter mühelos jedes Amt erreichen könnte, das er wollte. „Warum nicht Bürgermeister von New York?“, fragte ihn die Kollegin. Seine Antwort „Wie viele Bürgermeister kennst du, die Präsident geworden sind?“ zeigt, dass er nicht überzeugt war, bloß kraft seines Namens und seiner Prominenz das höchste Amt im Land erreichen zu können. Wäre sein Leben nicht vorzeitig vorsätzlich beendet worden, schätzt die Kollegin, wäre er vielleicht 2008 zur Präsidentschaftswahl angetreten, also im Alter von 48 Jahren.

Der Wahrheit auf der Spur

Der Anfang vom tragischen, verfrühten Ableben des „Prinzen von Amerika“ beginnt im Sommer 1998 auf einer Schweinefarm im Iron County im Süden des Mormonen-Bundesstaates Utah. Dort protestierten ein Mann namens True Ott und seine Organisation CRSA (Bürger für eine verantwortungsvolle und nachhaltige Landwirtschaft) gegen die Expansion einer gigantischen Schweinefarm namens Circle 4. Durch eine Reihe von Associated Press-Meldungen hatte Otts Bewegung eine gewisse nationale Berühmtheit erlangt und damit auch die Aufmerksamkeit der Redaktion von John Kennedys George Magazine erregte. Ein Redakteur flog per Privatflugzeug nach Cedar City, um Ott für einen Heftbeitrag zu treffen. Beim gemeinsamen Essen gestand Ott dem Journalisten, noch nie etwas vom George Magazine gehört zu haben, welches übrigens nach dem ersten Präsidenten der USA, George Washington benannt war. Der Redakteur griff in die Tasche und gab ihm eines. Erstaunt sah Ott, dass das Magazin John F. Kennedy Jr. gehörte. Er befragte den Redakteur zu den politischen Ansichten von Kennedy Jr. Dieser sei ein „echter Verfechter der Rechte von Minderbemittelten“, war die Antwort. Dies sei auch der Grund, warum man den Artikel über die CRSA und True Ott mache.

Ott meinte dazu: „Ich glaube, dass mein Bild von John dem der meisten Amerikaner entspricht. Das bleibende Bild des kleinen John-John, der mutig nach vorne tritt und seinen besten Gruß zeigt, als der Sarg mit dem Leichnam seines Vaters langsam vorbeirollt.“ Vom Redakteur will er nun wissen, ob John Kennedy die offizielle Darstellung des Attentats durch die Warren-Untersuchungskommission als wahr betrachte oder glaube, dass mehr dahinterstecke?

Der Redakteur nickte und sagte: „Natürlich akzeptiert er die Warren-Kommission nicht, aber es gibt nicht viel, was er oder irgendjemand anderes dagegen tun kann! Und ich garantiere Ihnen, dass das für ihn eine große Rolle spielt. Es ist eines seiner Hauptziele im Leben, die Wahrheit herauszufinden!“

Ott erwiderte: „Hat er schon einmal von den ‚Edelstein-Akten‘ (Gemstone Files) gehört?“ Daraufhin begann die Luft zu knistern. Der Redakteur legte seine Salatgabel nieder und sagte: „Was wissen Sie über Gemstone?“ – „Nun“, antwortete Ott, „es könnte sein, dass ich eine Kopie der Akte Nr. 5 habe. Interessiert?“ – „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Über so etwas macht man keine Witze! Woher haben Sie das?“, schrie der Redakteur nun fast. Damit war das Abendessen beendet; die Steaks nahmen sie in einer Plastikdose mit zum Haus von Ott, denn der George-Journalist wollte keine Minute länger warten, mit eigenen Augen die erwähnten Papiere zu sehen.

Ott erinnert sich: „Es war spät an jenem Samstagabend in Cedar City, Utah. Ich überreichte ihm die Akte, und er bot mir an, mich dafür zu entschädigen. Ich lehnte ab. Im Gegenzug bat ich ihn nur um eines: Wenn sich die Informationen als echt herausstellten, musste ich das wissen. Ich wollte nur, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird und die Schuldigen belangt werden.“

Am nächsten Morgen klingelte bei Ott um fünf Uhr früh das Telefon. Johns Redakteur erklärte ihm, dass er die ganze Nacht wach gewesen sei und die Akte gelesen habe. Er habe John Kennedy direkt angerufen, der wolle, dass man ihm die Akten unverzüglich überbringe. Auch John hatte angeboten, Ott für den Hinweis mit bis zu 10'000 Dollar zu entschädigen; er meinte, sie sei so gut. Ott lehnte höflich ab und erinnerte ihn sanft an seine frühere Forderung. Er wolle nur wissen, ob die Informationen echt waren. Das sei für ihn Lohn genug.

Der Rest des Jahres 1998 verging wie im Flug. Die nationalen politischen Weichen wurden gestellt. Es sah so aus, als wolle sich George W. Bush die Nominierung für die Präsidentschaftswahl gegen Al Gore sichern. Am 5. Juli 1999 klingelte True Ott‘s Haustelefon. Am anderen Ende sagte eine sehr höfliche männliche Stimme: „Hallo, True Ott, haben Sie einen Moment Zeit? Hier ist John Kennedy am Apparat!“

Ott erinnert sich: „Nach ein paar Minuten Smalltalk sagte er mir: ‚Mir ist klar, dass Sie wissen wollen, was ich von Ihrer Akte halte. Sie sollen wissen, dass ich einen hohen sechsstelligen Betrag für Privatdetektive ausgegeben habe, um den Inhalt der Akte zu prüfen. Er entspricht effektiv den Tatsachen. Aufgrund dieser Akte wird in den nächsten Wochen eine Grand Jury einberufen werden. Ich bin ebenso wie meine Anwälte der Meinung, dass dieses Geschworenengericht eine Anklage gegen die Verantwortlichen wegen Verschwörung zum Mord an meinem Vater erheben wird, sobald die Beweise vorliegen.“

True Ott erzählt weiter: „Ich war begeistert, aber auch zutiefst betrübt über die Enthüllungen, die John mir gegenüber machte. Ich fragte ihn, ob ihm klar sei, dass dies die amerikanische Politik, insbesondere die Republikanische Partei, in ihren Grundfesten erschüttern würde? Er antwortete: ‚Ja, ich bin mir der Schwere der Sache und meiner Anschuldigungen bewusst, aber die Schuldigen müssen vor Gericht gestellt werden.‘ Ich drängte: ‚Aber Mr. Kennedy, wie fühlen Sie sich?‘ Das Telefon blieb ein oder zwei Minuten lang still. Dann antwortete John: ‚Es ist, als ob eine große Last von meinen Schultern genommen wurde. Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich ermächtigt. Ich spüre den Geist meines Vaters an meiner Seite, und endlich kann ich ein paar Dämonen in meinem Leben austreiben.‘ Er war offenkundig den Tränen nahe. Ich auch. Ich war nun ein Teil der amerikanischen Geschichte und hatte einem Bruder im Geiste bei seiner Suche nach der Wahrheit geholfen. Ich warnte ihn, sein Vorhaben könne sehr gefährlich sein. John stimmte mir zu und sagte, dass er ‚alle Vorsichtsmaßnahmen ergreife‘. Dann fragte er mich mit leiser Stimme nach meinen Bankdaten. Er wollte 50'000 Dollar auf mein Konto überweisen. Ich lehnte dankend ab. ‚Geben Sie es der Wohlfahrt. Ich bin zufrieden, dass die Akte nun im Besitz jener Person ist, die sie am dringendsten braucht. John, seien Sie bitte vorsichtig!‘“

John Kennedy Jr. bedankte sich sehr und sagte, er wünsche sich, es gäbe mehr Amerikaner wie True Ott. Eines Tages werde er sich für dessen Hilfe revanchieren. Elf Tage später, am 16. Juli 1999, verunglückte John Kennedy zusammen mit seiner Frau und ihrer Schwester bei einem Flugzeugabsturz auf dem Weg zu einer Familienhochzeit auf dem Kennedy-Familiensitz in Hyannis Port. „Mein neuer Freund war tot und die Schuldigen, die an beiden Morden beteiligt waren, sind immer noch nicht bestraft worden. Ich jedoch kenne die Wahrheit. Es gibt keinen Zweifel daran, warum John getötet wurde. Es war kein Unfall!”, sagt True Ott mit Bestimmtheit.