Neurocoaching: Heute Schmerzen? Das war gestern!

Chronischer Schmerz ohne klare Ursache ist oft die Folge von alten Erinnerungen. Wie man das Schmerzgedächtnis löschen und so Schmerzkontrolle erlernen kann.

Dank Neurocoaching können wir uns von Schmerzen befreien, die uns lange gefangen hielten.

Schmerzen haben immer einen bestimmten Zweck. Sie sind im Wesentlichen ein Schutzmechanismus und haben eine Signal- oder Alarmfunktion. Treten Schmerzen auf, ist das eine Botschaft, etwas zu tun, die Situation zu verändern. Zum Beispiel, die heiße Schüssel loszulassen oder einen Arzt aufzusuchen. Deshalb sollte der akute Schmerz auch wieder verschwinden, nachdem seine Ursache beseitigt wurde. Das tut er aber oft nicht. Trotz Spritzen, der Einnahme von Medikamenten, Physiotherapie und Osteopathie. Hilflose Verzweiflung ist die Folge. Zu den häufigsten chronifizierten Schmerzformen gehören Rückenschmerzen (besonders im unteren Rücken), Gelenkschmerzen (etwa bei Arthrose, Arthritis oder Osteoporose), Kopfschmerzen und Muskelschmerzen. Wir sprechen hier von Schmerzerkrankungen, die keine eindeutige körperliche Ursache haben.

Zum Glück aber gibt es einen Weg, das Schmerzempfinden zu kontrollieren und damit auch zu verändern. Denn, Überraschung: Schmerz findet nicht dort statt, wo man ihn fühlt. Vielleicht erinnern Sie sich daran, wie Sie sich einmal tief in den Finger geschnitten haben. Den Schmerz spürten Sie erst, nachdem Sie die Wunde mit einem Pflaster versorgt hatten. Und das liegt nicht, wie oft vermutet, am Schreck. Sondern daran, dass sich die Schmerzwahrnehmung verzögern kann: Weist ein Körperteil eine Verletzung auf, wird von dort ein Signal an das Gehirn gesandt: „Hier gibt es ein Problem!“

In diesem Moment verspüren wir noch keinen Schmerz. Unser Gehirn wird den Körper nun dazu veranlassen, die verletzte Stelle zu reparieren. Das ist die Aufgabe des Schmerzes, denn nur dann, wenn uns etwas wehtut, werden wir etwas dagegen tun. Wichtig zu verstehen: Es ist der Kopf, der aufgrund von ähnlichen Erfahrungen in der Vergangenheit entscheidet, wie stark wir den Schmerz empfinden. Je größer die vergangenen Schmerzen waren und je länger diese anhielten, desto stärker wird der neue Schmerz sein. Das geschieht insbesondere dann, wenn den physischen Schmerzen eine tiefere emotionale Ursache zugrunde liegt, die noch nicht gelöst wurde. „Denn“, so denkt sich unser Gehirn womöglich, „die vorherigen Signale waren offensichtlich nicht ausreichend.“ – Erst jetzt empfinden wir den Schmerz da, wo es wehtut: an der Stelle des beschädigten Gewebes.

Schmerz entsteht also in bestimmten Netzwerken des Gehirns. Genau hier setzt Neurocoaching an – eine innovative Schmerztherapie, in der die Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft eingesetzt werden. Die Methode, das Schmerzgedächtnis zu löschen, indem es mit aktueller Information überschrieben wird, haben Neurocoach Nina Olsson und der Physiotherapeut und Osteopath Michael Weber entwickelt. Mit ihrem Buch wollen sie Menschen helfen, ihre Wahrnehmung von Schmerz zu verändern, damit das Gehirn ihn schließlich loslassen kann.1

Stress verursacht die Ausschüttung der Hormone Cortisol und Adrenalin ins Blut. Diese sogenannten Stresshormone richten auf Dauer im Körper sehr viel Schaden an. Vor allem aber bewirken sie, dass jeder Schmerz verstärkt wahrgenommen wird. Leicht gerät man so in einen Teufelskreis: Nicht nur die Rückenschmerzen bewirken Stress, sondern vielleicht auch gegenwärtige Lebensumstände, der Job, die Finanzen. So wird der Körper von einem toxischen Cocktail regelrecht geflutet. Wollen wir aus dem Teufelskreis aussteigen, müssen wir uns als Erstes unseren Gedankengängen zuwenden, denn diese beeinflussen die für den Schmerz zuständigen Netzwerke des Gehirns. Durch bewusste Gedanken wird die Ausschüttung der Gegenspieler der Schmerztreiber-Hormone gefördert, nämlich der Hormone Serotonin und Dopamin, die als Glückshormone bezeichnet werden. Tatsächlich sind nur sie in der Lage, Adrenalin und Cortisol zu neutralisieren! Gleichzeitig sorgen bewusst positive Gedanken dafür, dass die Ausschüttung der Stresshormone sofort gestoppt wird. So kann der Körper die Selbstheilung, die unter Stress zurückgestellt wurde, wieder in Gang setzen. Nina Olsson und Michael Weber nennen solche bewussten Gedankenprozesse „Brücken“, weil sie über den Schmerz hinwegführen.

Mit jeder ihrer insgesamt sieben Gedankenbrücken, auf die nachfolgend kurz eingegangen wird, bekommen wir ein Werkzeug an die Hand, mit dem wir Schmerzen sofort reduzieren oder sogar ganz eindämmen können. Vorerst vielleicht nur für einen kurzen Moment, doch wenn wir zu bewusstem Gedankentraining bereit sind, können die schmerzfreien Zeiten immer länger andauern. Ziel ist, eine maximale Ausschüttung von Dopamin und Serotonin zu bewirken, um die für den Körper notwendige Voraussetzung zur Selbstheilung zu schaffen. Zudem wird unsere Aufmerksamkeit umgelenkt: weg vom Schmerz und damit verbundenen Ängsten, hin zu emotional positiv empfundenen Erlebnissen – und weg von der Vergangenheit, hin zur schmerzfrei erlebbaren Gegenwart. In dem Maß, wie wir alte Überzeugungen und schmerzhafte Erinnerungen loslassen, werden im Gehirn die entsprechenden „Plattenrillen“ überschrieben und neue neuronale Verknüpfungen erschaffen.

Der innere „Märchenerzähler“

Die Neurowissenschaft kann heute belegen, was Menschen schon seit Jahrtausenden wissen – dass nämlich Gedanken einen starken Einfluss auf unseren Körper haben. Besonders dann, wenn sie entsprechende Gefühle triggern, was in der Regel unweigerlich auch der Fall ist. Gedanken sind elektrische Impulse, mit deren Hilfe heutzutage bereits Computer gesteuert werden können. Wir denken zwar nicht wirklich mit dem Gehirn, doch dieses ist die physische Schaltzentrale, welche unsere Gedanken und Gefühle im Körper umsetzt. Quasi die Klaviatur, auf der wir spielen. Daher spiegeln sich unsere Gedanken, obwohl sie Teil unseres feinstofflichen Mentalkörpers sind, augenblicklich im Gehirn. Und ein negativer Gedanke, auch wenn er noch so banal erscheint, bedeutet für das Gehirn nichts anderes als: Gefahr im Verzug! Der Körper wird sofort in den Überlebensmodus (Kampf- oder Fluchtreaktion) versetzt und gerät aus dem inneren Gleichgewicht. Wichtig: Das Gehirn unterscheidet nicht zwischen „ein bisschen gefährlich“ und „lebensgefährlich“ – Gefahr ist immer gleich Lebensgefahr. Und da „Gefahr“ gleichzusetzen ist mit „Stress“… schüttet der Körper Stresshormone aus, um die Gefahr abzuwenden.

Besonders Cortisol beeinträchtigt nahezu alle Organe, sofern diese dem Stresshormon dauerhaft ausgesetzt sind. Cortisol unterdrückt die Körperabwehr, verschlechtert die Gedächtnisleistung, erhöht die Entzündungswerte im Blut und fördert das Auftreten von Infektionen und Krebs. Zudem wird das Schmerzempfinden deutlich verstärkt. Auch wenn es schwer zu glauben ist: Jedes Mal, wenn wir Negatives nur schon denken, wird der Körper unter Stress gesetzt. Geben wir dann noch einen Schuss Gefühl hinein, wird’s noch heftiger: also jedes Mal, wenn wir uns über andere ärgern, uns über das ungerechte Leben beschweren oder uns für unsere Fehler verurteilen.

Mit ein paar freundlichen Worten lässt sich das leider nicht so einfach wieder aus der Welt schaffen, denn laut der Neurowissenschaft reagiert das Gehirn auf Negatives siebenmal stärker als auf Positives. Ganz einfach deshalb, weil das Motto unseres Gehirns lautet: „Lieber zu viel als zu wenig.“ Lieber einmal zu schnell in den Überlebensmodus schalten, als wegen einer Nachlässigkeit vom Feind gefressen zu werden! Positive Ereignisse hingegen stellen für das Gehirn keine Gefahr dar. Sie werden als Normalzustand gewertet und stören nicht. Um das Gehirn dazu zu bewegen, auf ein positives Erlebnis mit der Ausschüttung von Glückshormonen zu reagieren, muss dieses Ereignis mit sehr starken positiven Gefühlen verknüpft sein. Merke: Es ist in unserem eigenen Interesse zu lernen, im Alltag möglichst viel Liebe auszudrücken.