Welcher Atemtyp sind Sie?

Im Moment der Geburt tauchen wir ein in die „Atemwelle der Erde“: Die zu dieser Zeit vorherrschenden kosmischen Einflüsse bestimmen, ob wir „aktiv einatmen“ oder „aktiv ausatmen“. Das prägt so grundlegende Dinge wie Schlafverhalten, Stoffwechsel, Stimme und Körperhaltung.

Archetypen Sonne und Mond: Der solare Atemtyp verhält sich in vielen Dingen komplett gegensätzlich zum lunaren Atemtyp.

Finden Sie gleich zu Beginn mithilfe der folgenden Wahrnehmungsübung heraus, welcher der zwei grundlegenden Atemtypen Sie sind:

Lassen Sie zunächst den Atem kommen. Ziehen Sie ihn nicht ein, sondern lassen ihn mithilfe des Unterdrucks, der in Ihrem Inneren entsteht, von selbst einströmen. Dabei ist es egal, ob Sie in Brust oder Bauch oder beide zusammen atmen; es geht nur um die vermiedene Anstrengung dabei. Setzen Sie die Passivität auch beim Ausatmen fort. Lassen Sie es also wieder geschehen, statt einzugreifen. Stellen Sie sich vor, dass Sie nichts tun müssen, um zu atmen, dass es mit Ihnen einfach geschieht. Erleben Sie so, was es heißt, von den Kräften der Natur „beatmet“ zu werden.

Jetzt beobachten Sie, während Sie so passiv wie möglich atmen, ob eine der beiden Atemphasen Sie dazu anregt, aktiv einzugreifen. Haben Sie das Gefühl, bei einer passiven Einatmung nicht genug Luft zu bekommen? Stört es Sie (Ihren Körper, Ihre Lebendigkeit), wenn Sie die Luft nicht aktiv einsaugen können? Oder missfällt Ihnen die Vorgehensweise, nicht aktiv die verbrauchte Luft ausstoßen zu können? Fehlt Ihnen der Druck, den Sie mithilfe der Ausatmung ablassen können? Beobachten Sie und gehen Sie dann konkret dazu über, beide Varianten auszuprobieren: Beginnen Sie also damit, aktiv ein- (mithilfe Ihrer Atemmuskulatur) und passiv auszuatmen, und wechseln Sie nach einer Weile in die Form der passiven Ein- und der aktiven Ausatmung.

Nehmen Sie wahr, ob Ihnen eine Form besser entspricht. Womöglich wird das damit übereinstimmen, was Sie bei einer rein passiven Atemweise schon gespürt haben.

Nehmen Sie abschließend auch die vollständig aktive Atmung – aber vorsichtig – hinzu. Das heißt, atmen Sie bewusst und aktiv ein und ebenso aktiv auch wieder aus.1

Vermutlich behagt Ihnen diese letzte Technik am wenigsten. Sie wird in der Medizin als Hyperventilation bezeichnet und ist das von der Natur deutlichste Alarmsignal, dass der Atemvorgang sich, wenn Sie so weitermachen, erschöpfen wird. Zwar kann man diese „Erschöpfung“ zu therapeutischen Zwecken nutzen – etwa beim holotropen Atmen2 oder in manchen Yogatechniken. Doch normalerweise wird beim Atmen das Zusammenspiel beider Kräfte benötigt, das Miteinander von Aktivität und Passivität, von Anspannung und Entspannung. Eine rein passive Atmung wie zu Beginn der obigen Übung ist von der Natur ebenfalls nicht vorgesehen – das haben Sie vermutlich wahrnehmen können, weil Sie bei einem Teil das Gefühl hatten, gerne mitgestalten und aktiv eingreifen zu wollen. Und einen Mischtyp oder eine dritte Atmung kennt die Natur nicht – es bedarf immer einer Führung und eines sich Gehenlassens, ansonsten erschöpfen Sie sich.

Wir leben, weil wir atmen. Die Atmung repräsentiert ein universales Schöpfungsprinzip. Es geht um das Annehmen und Abgeben, das Einlassen und Ausstoßen, das Ernähren und Verbrauchen – kurz: um das Yin und Yang des Lebens.3 Ja, im Wunder des Lebens werden sämtliche Lebensprozesse von diesem Wechselspiel zwischen zwei gegensätzlichen und sich ergänzenden Kräften bestimmt: Auf einen Impuls folgt ein entsprechender Gegenimpuls. Ist der eine Teil dominant, antwortet der andere Teil zurückhaltend. Auch in Bezug auf die Atmung ist also meist eine Flussrichtung führend, entweder die Ein- oder die Ausatmung. Der aktiven Dehnung des Brustkorbs, die die äußeren Zwischenrippenmuskeln aktiviert, folgt automatisch eine passive Lösung derselben. Und der passiven Dehnung im Bauchraum folgt automatisch eine aktive Verengung beim Ausatmen. Polarität tritt in der Natur genauso in Erscheinung – sie gleicht sich aus, ist aber nicht gleich. Und eben dieser Ausgleich zwischen aktiv und passiv ist es, der letztlich die Lebendigkeit des Rhythmus erzeugt.

Doch was geschieht, wenn wir schlafen? Bleibt die Atmung dann ständig passiv? Schließlich schläft man ja und lässt alles gehen. Betrachten Sie einmal einen Menschen im Schlaf – Kinder sind am besten zu beobachten, weil sie natürlicher atmen. Es geht aber auch bei Erwachsenen. Welche Phase führt den Atem des Schlafenden, welche lässt er gehen? Sie werden feststellen, dass das Muster von aktiv und passiv auch im Schlaf erkennbar bleibt. Schnarcht jemand, wird es noch deutlicher, und wenn Sie sich schon einmal gefragt haben, warum sich das Schnarchen Ihrer Mitmenschen unterschiedlich anhört, haben Sie hier die Erklärung: Die aktive Einatmung schlürft, röchelt, zieht, während die aktive Ausatmung schnaubt, pustet und schiebt. Es ist – in den meisten Fällen – diese aktive Atemphase, die Sie deutlicher sehen und hören können. Und gleichzeitig ist der Atem von schlafenden Menschen auch der verlässlichste Anzeiger, um die Atemform zu bestimmen, denn im Schlaf kommt der naturgegebene Rhythmus voll zum Tragen.

Brust- oder Bauchatmung?

Während das, was wir im letzten Heft über das Atmen schrieben, allgemeine Gültigkeit hat, so waren manche im Artikel vorgeschlagenen Atemübungen für Sie vermutlich etwas angenehmer, andere wiederum etwas ungewohnter auszuführen. Daneben stellten wir aber auch Übungen vor, die weder den einen noch den anderen Atemtyp bevorteilen. Finden Sie am besten selber heraus, welche Atemübungen Ihrer Atemform entsprechen!4 Tatsächlich ist genau das das Dilemma von vielen Atemschulen: Die meisten Techniken und Übungen helfen nur einer Hälfte der Anwender, die andere Hälfte hingegen verwirren sie. So sind gut gemeinte Ratschläge wie „Jetzt atme mal tief ein“ oder „Mach mal eine lange Ausatmung, das tut dir gut“ nur für den entsprechenden Typus passend. Die Frage ist also: Ist sich der Atemtherapeut bewusst, dass es zwei unterschiedliche Atemtypen gibt?

Quellenangaben