Das Kreuz mit dem Rücken

Chronische Schmerzen lassen sich nicht in einen Topf werfen. Wir gehen auf die zwei häufigsten Ursachen sowie konkrete Vorschläge ein, wie man dagegen angehen kann. Zudem zeigen wir Möglichkeiten für einen besseren Umgang mit Schmerz.

Chronische Schmerzen kann man häufig mit Körperübungen und antientzündlichem Essen überwinden. Und wer dem Schmerz in achtsamer Meditation nachspürt, lernt, ihn zu dämpfen.

Schmerz ist kein Gegner, sondern ein Helfer.“ Das schreibt die Deutsche Schmerzgesellschaft. Er weist uns darauf hin, wenn etwas in unserem Körper im Argen ist und Schonung oder besonderer Behandlung bedarf. Wenn er aber länger als drei Monate anhält, hat er diese biologisch durchaus sinnvolle Warnfunktion verloren. Fortan ist er chronischer Schmerz und wird als eigenständige Krankheit wahrgenommen. So vielseitig deren Ursachen auch sein mögen, ist dieser Erkrankung eines gleich: Sie führt zu teilweise massiven Beeinträchtigungen, die nicht nur physische, sondern auch erhebliche psychische, möglicherweise sogar kognitive Auswirkungen haben. Kann darüber hinaus die Ursache der Schmerzen nicht identifiziert oder nicht behoben werden, ist die Erfahrung – für Betroffene wie Angehörige – besonders belastend. Mit täglichem Schmerz leben zu müssen, ist übel genug; ohne Hoffnung auf Linderung und im Ungewissen über die Ursache noch erheblich schwerer.

Das Ganze wird leider dadurch verschärft, dass die Umwelt eine chronische Schmerzerkrankung allzu oft nicht ernst nimmt. Wer ein gebrochenes Bein hat, darf mit Mitgefühl und Rücksichtnahme rechnen. Wem man die Krankheit nicht ansehen kann, wird dagegen oft als „nicht richtig krank“ betrachtet, im schlimmsten Fall sogar als Simulant. Ohnmacht, Ängste, Arbeitsunfähigkeit und soziale Ausgrenzung sind nur wenige der möglichen Folgen, die eine Schmerzerkrankung nach sich zieht.

Häufigste Schmerzerkrankungen

Schmerzsyndrome treten in den unterschiedlichsten Formen auf. Am häufigsten betreffen sie Rücken, Knie oder Gelenke in Form von beispielsweise Arthrose, (rheumatoider) Arthritis, Bandscheibenvorfällen oder Muskelverspannungen. Weitere häufige Schmerzerkrankungen bestehen in Kopfschmerzen und Migräne, Nervenschmerzen, oft von Reizungen oder Schäden der Nervenfasern durch Schlaganfall, Verletzungen, Diabetes etc. verursacht, chronische Magen- und Darm-Erkrankungen wie Morbus Crohn sowie Fibromyalgie (Weichteilrheuma). Oft treten sie auch als Begleiterscheinung einer anderen chronischen Erkrankung auf, wie etwa Durchblutungsstörungen oder Tumorerkrankungen. Manchmal werden Schmerzen auch von einer gestörten Schmerzwahrnehmung des Organismus ausgelöst.

Wer einmal über einen längeren Zeitraum unter starken Schmerzen gelitten hat, reagiert hinterher oft viel empfindlicher auf Schmerzreize. Wenn das Schmerzsystem derart aus dem Gleichgewicht geraten ist, kann ein akuter Schmerz zu einem chronischen werden. Diese gesteigerte Empfindlichkeit beschränkt sich nicht auf die Nervenzellen im Körpergewebe, sondern findet auch im Rückenmark und im Gehirn statt und wird oft als „Schmerzgedächtnis“ bezeichnet. Dieses hält auch dann noch an, wenn die ursprünglich auslösenden Schmerzursachen nicht mehr bestehen. Doch die Schmerzen sind real.

Bei der ärztlichen Anamnese wird die Schmerzgeschichte des Patienten samt seinen individuellen Lebensumständen abgefragt. Denn natürlich stellt sich die Frage, warum sich bei einer vergleichbaren Krankheitsgeschichte und vergleichbaren Symptomen bei manchen Betroffenen die Schmerzen chronisch festsetzen, während andere irgendwann wieder schmerzfrei leben. Neben einer genetischen Prädisposition dafür sind auch psychosoziale Faktoren für die Entwicklung einer Schmerzerkrankung verantwortlich. Sehr stark vereinfacht ausgedrückt: Ein einsamer Mensch, der unter Depressionen oder Ängsten leidet, hat eine schlechtere Ausgangslage als ein psychisch stabiler, der in ein gutes soziales Netzwerk eingebunden ist und keine Existenzsorgen hat. Er ist anfälliger für Schmerz.

Wenn keine sichtbare Ursache gefunden wird oder das, was man als Ursache ansieht, auf die Behandlung nicht anspricht, bleibt meist nur die Gabe von Schmerzmitteln. Viele Patienten müssen zudem die Erfahrung machen, dass oft nicht einmal gründlich nach der Ursache gesucht wird. Gerne wird dann pauschal empfohlen, sich mehr zu bewegen oder regelmäßig zu entspannen. Bei der Suche nach einer individuell passenden Methode zur Schmerzbewältigung bleiben Betroffene allein und die Ursachen der Schmerzen oft unberührt.

Wir wollen zwei Hebel vorstellen, die man gegen die häufigsten Ursachen chronischer Schmerzen ansetzen kann: die Ernährung zum einen, gezielte Übungen zur Wiederherstellung des Bewegungsapparates zum anderen. Zudem zu zwei Methoden anregen, die man einsetzen kann, um den Schmerz als weniger intensiv und belastend zu erfahren.

Entzündungen

Eine der Hauptursachen für viele Schmerzerkrankungen – und nicht nur für diese – ist eine chronische Entzündung im Körper. Entzündungen an sich stellen die Schutzreaktion des Organismus auf Fremdeinwirkungen, die ihm Schaden zufügen können, dar – ganz gleich, ob es sich dabei um Krankheitserreger, toxische Substanzen, die mit der Atemluft oder der Ernährung aufgenommen werden, oder schädliche Stoffwechselprodukte innerhalb des Körpers handelt. Das Immunsystem kann mit einer Entzündung die Auswirkungen der Fremdeinwirkungen ausgleichen und die entstandenen Schäden beseitigen. Problematisch wird es nur, wenn eine Entzündung nach Erfüllen ihrer Aufgabe nicht wieder abklingt, sondern sich im Organismus langsam und, zunächst unbemerkt, festsetzt. Menschen mit Wohlstandsfülle um die Leibesmitte sollten übrigens besonders aufpassen, denn gerade im Bauchfett werden entzündungsfördernde Hormone produziert. Die Symptome, mit denen sich eine latente Entzündung im Einzelfall äußert, sind wenig spezifisch und können sich in einer Bandbreite von verschiedenen Beschwerden zeigen: von anhaltender Müdigkeit und ständigen Erkältungen über Verdauungsprobleme bis hin zu Migräne.

Die Blutwerte können hier eindeutig Aufschluss geben. Das C-reaktive Protein (CRP), das Krankheitserreger beseitigt, steigt während einer akuten Phase von Entzündungen enorm an. Liegt keine akute Phase vor, sollte der Wert zwischen etwa 0,5 mg und maximal 5 mg pro Liter Blut liegen. Wenn er um ein Vielfaches darüber liegt, kann man von einer chronisch entzündlichen Erkrankung ausgehen. Der CRP-Wert liefert übrigens auch Hinweise auf die Gesundheit von Herz und Kreislauf, da er mit dem Grad der Arterienverkalkung in unmittelbarem Bezug steht.

Ein anderer Marker ist die sogenannte Blutsenkungsgeschwindigkeit: Je schneller die roten Blutkörperchen in einer Blutprobe sinken, desto wahrscheinlicher besteht eine Entzündung. Der Signalstoff Interleukin-6, der andere Abwehrzellen aktiviert, gibt ebenfalls einen Hinweis auf chronische Entzündungen. Wenn die Stoffe, die eine akute Entzündung auslösen und regulieren, nach ihrem Einsatz nicht wieder abklingen, bleibt der Organismus im konstanten Abwehrmodus, was zu chronischen Entzündungen führt und damit dauerhaften Stress auf Zellebene darstellt. Sehr oft wird dies von unserer Lebensführung verursacht: Zu wenig Bewegung führt zu einer Spannung in Muskulatur und Faszien, die in einer Entzündung münden. Eine Überfülle an Giften aus der Umwelt, wie Pestizide oder künstliche Zusatzstoffe in der Nahrung, stellen einen ständigen Angriff auf das Immunsystem dar.