„Glück ist kein Geschenk der Götter, sondern die Frucht innerer Einstellung.“

Sind wir nicht alle jahrelang dem Glück hinterhergerannt und haben es doch nicht einfangen können? Nun scheint es aus unserer Welt geflohen zu sein. Was also tun? Vielleicht es dort suchen, wo es sich tatsächlich befindet?!

Glück ist eine Frage der inneren Haltung und wir erreichen es nur, wenn wir uns von äußerlich auferlegten Konzepten befreien.

Corona hat das Leben vieler Menschen auf den Kopf gestellt und die persönliche Freiheit sehr stark eingeschränkt. Freies Reisen, spontane Restaurantgänge, unbeschwerte Veranstaltungsbesuche, ja sogar das Arbeiten vom Büro aus ist plötzlich nur noch mit Zertifikaten und/oder Impfungen möglich. Wer das nicht möchte, fristet ein vermeintlich tristes Dasein – so ganz ohne Bedürfnisbefriedigung. Doch die Krise muss keine solche sein. Sie kann vielmehr auch eine Chance für jeden Einzelnen darstellen. Denn egal wie einschneidend und frustrierend äußere Einflüsse auch sein mögen – sie sind vor allem eines: äußere Umstände. Leid ist genau wie Glück ein innerer Zustand. Oder um die bekannte Streitfrage zu bemühen: Ob Sie das Glas halb voll oder halb leer sehen, hängt von Ihrer Lebenseinstellung ab. Viele Menschen versuchen krankhaft, ihr Glück im Äußeren zu finden. Sie haben es verlernt, aus sich selbst heraus glücklich zu sein. Doch müssen wir davon abkommen, Freude mit „Spaß haben“ zu verknüpfen, sondern vielmehr nach einer inneren Zufriedenheit streben, die durch Altruismus und Nächstenliebe erreicht wird. Denn echtes Glück hat nichts mit egozentrischer Bedürfnisbefriedigung zu tun.

Ist es nicht spannend, dass die Freude über ein neues Paar Schuhe relativ schnell verfliegt, wohingegen die innere Zufriedenheit nach einer sogenannt „guten Tat“ lange anhält? Je mehr wir uns von der Erfüllung unserer Bedürfnisse abhängig machen, umso schwerer fallen uns Restriktionen und umso eher sind wir geneigt, unsere Freiheit und Gesundheit zu verkaufen. Die westliche Welt lebt in einer notorischen Hyperaktivität, alles muss Spaß machen, immer muss etwas los sein. Die heutige Wohlstandsgesellschaft ist dem Gedanken verfallen, ohne ständige Aktivität wäre das Leben todlangweilig. Viele Menschen haben es verlernt, den Blick nach innen – auf sich selbst – zu richten und suchen Glück daher immer im Äußeren.

Dabei ist weniger oftmals mehr. Dies bedeutet nicht, dass wir alles Schöne aufgeben und völlig asketisch leben sollen. Vielmehr geht es darum, den Geist von einer unbefriedigenden Erwartungshaltung dem Leben gegenüber zu befreien und die eigene Vorstellung von „glücklich sein“ neu zu definieren. Wahrhaftiges Glück trägt uns durch die Höhen und Tiefen des Lebens. Glück ist nicht einfach nur ein vergänglicher, flüchtiger Augenblick des „Sich-gut-Fühlens“, sondern ein Zustand tiefer Zufriedenheit, inneren Reichtums, Wohlbefindens und der Dankbarkeit. Es mag manchmal schwierig erscheinen, die Welt zu verändern. Wie wir sie sehen, können wir jedoch relativ leicht beeinflussen. Ein wunderschönes Erlebnis in der Natur, die Geburt eines Kindes, der erfolgreiche Abschluss einer Ausbildung: All dies sind Momente, in denen wir frei von inneren Konflikten und negativen Spannungszuständen sind. Man ist einfach und vergisst die Vergangenheit und Zukunft. Beim Streben nach Glück geht es nicht darum, die Welt voller Naivität durch die rosarote Brille zu betrachten oder die Augen vor Leid und Ungerechtigkeit verschließen. Vielmehr verlangt es von uns, dass wir unseren Geist von toxisch wirkenden Einflüssen reinigen, wie etwas Hass, Fanatismus oder zwanghaften Vorstellungen aller Art. Gemäß dem buddhistischen Mönch Matthieu Ricard geht es darum, zu lernen, wie man die Dinge relativieren und die Kluft zwischen den äußeren Erscheinungen und der Wirklichkeit verringern kann. Denn im Grunde geht Leid immer Hand in Hand mit einer falschen Wahrnehmung der Wirklichkeit.

Was meint Ricard mit Wirklichkeit? Der Buddhismus versteht darunter die wahre Natur der Dinge, unbeeinträchtigt durch die Projektion menschlicher Gedanken. Durch eine falsche Interpretation der Welt entsteht eine Kluft zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit. Die jüdische Intellektuelle und KZ-Insassin Etty Hillesum sagte denn auch treffend: „Das große Hindernis ist immer die Erscheinung und nie die Wirklichkeit.“

Für einen Buddhisten handelt es sich bei Leid daher nicht um einen Grundzustand des Seins, sondern um ein geistiges Universum, das auf einer fehlerhaften Realitätswahrnehmung basiert: Wir reagieren auf die Projektion unserer eigenen Gedanken, statt einfach zu sehen, was da ist.

Mit einer positiven, lebensbejahenden Einstellung fällt es zudem leichter, sogenanntes Leid als Mittel zur Transformation zu verstehen, uns positiv zu verändern und aus der Situation zu lernen.

Eine schwerwiegende Verwechslung

Ricard schreibt in seinem Buch Glück davon, wie weitverbreitet die falsche Vorstellung von Glück ist. Ricard selbst wuchs in Frankreich auf und ist ausgebildeter Molekularbiologe. Bereits im Alter von 26 Jahren (1972) erkannte er, dass ihn sein westliches Leben nicht glücklich machen kann, und so beschloss er, nach Indien auszuwandern. In Asien lernte er von verschiedenen buddhistischen Meistern, bis er 1989 der persönliche Französisch-Übersetzer des Dalai Lama wurde.

Viele Menschen verwechseln Vergnügen mit Glück. Ersteres gilt im Buddhismus jedoch lediglich als „Schatten des Glücks“, das unmittelbare Resultat bestimmter intellektueller, ästhetischer oder sinnlicher Reize. Vergnügen ist immer flüchtig und abhängig von bestimmten äußeren Umständen, Orten oder Zeitpunkten. Auch hängt Vergnügen fast immer mit einer Aktivität zusammen. Die Wiederholung ebendieser lässt das Vergnügen allzu bald fad und hohl werden. Unser Lieblingsessen schmeckt uns vielleicht einmal die Woche – müssten wir es jedoch tagein, tagaus essen, würden wir seiner schnell überdrüssig werden. Wahres Glück hingegen ist ein Zustand innerer Erfülltheit und nicht die Befriedigung des Verlangens nach äußeren Dingen. Je mehr Wünsche wir uns erfüllen können, desto mehr neue Bedürfnisse verspüren wir. Daher gilt: Wes’ einziges Lebensziel die Erfüllung selbstsüchtigen Glücks ist, des’ Leben bald ziellos ist. Wahres Glück hingegen beruht auf Herzensgüte und Selbstlosigkeit, die von innen nach außen strahlt, statt in Selbstbezogenheit zu verharren. Ein Mensch, der inneren Frieden gefunden hat, trägt zum Frieden in seiner Familie, seiner Nachbarschaft und der Gesellschaft bei.

Glück und Vergnügen hängen also weit weniger stark zusammen, als wir Westler gemeinhin annehmen – und uns von der Konsumgesellschaft suggeriert wird. Nichtsdestotrotz ist das eine nicht per se des andren Feind. Es spricht nichts dagegen, sich an einer wunderschönen Landschaft, einem erfrischenden Bade in einem Bergsee oder dem Duft einer Blumenwiese zu erfreuen. Vergnügen stellt erst dann ein Hindernis zum Erleben wahren Glücks dar, wenn es das innere Gleichgewicht trübt und zur zwanghaften Jagd nach Befriedigung verkommt oder eine Aversion gegen alles auslöst, was dieser im Wege stehen könnte. Wird Vergnügen jedoch im Zustand von innerer Freiheit und Frieden erlebt, so fügt Vergnügen dem Glück zusätzlichen Glanz bei, ohne es negativ zu überschatten. Wie wichtig es ist, Glück von innen heraus zu erfahren, zeigt auch folgendes Beispiel eindrücklich auf: Mittlerweile weiß man, dass Lotto-Gewinner sich unmittelbar nach dem Jackpot viel wohler fühlen. Dieser Zustand hält auch mehrere Monate an. Doch nach etwa einem Jahr haben die Gewinner wieder ihr normales Zufriedenheitsniveau von vor dem Gewinn erreicht. Tatsache ist auch, dass die allgemeine Lebenszufriedenheit in unserer westlichen Welt relativ stabil bleibt, solange die materiellen Lebensbedingungen alle erfüllt sind. Fällt jedoch nur eine dieser äußeren Bedingungen weg, sinkt die Zufriedenheit rapide. Unser vermeintliches Glück steht also auf ziemlich wackligen Beinen. Kurzum: Echtes Glück hat keine unmittelbare Verbindung zu Vergnügen und Wunscherfüllung.