Oxymel: Der Powerdrink aus der Antike

In jedem Haushalt finden sich Zutaten, mit denen ganz leicht ein „Zaubertrank“ für das Immunsystem angesetzt werden kann. Weshalb also immer gleich einen Arzt für ein Medikament konsultieren, wenn die (Haus-) Apotheke schon lange in der eigenen Küche wartet?

Zaubertränke aus der Natur: Verfeinert man das Basis-Oxymel (Essig und Honig) mit Kräutern, Pflanzen oder Früchten, so entstehen vielfältige Heilelixiere.

Vielleicht erging es Ihnen als Kind ähnlich wie dem Autor dieses Artikels und Sie waren ebenfalls begeisterte Leser der Comic-Geschichten von Asterix und Obelix. Die zwei Freunde lebten in einem kleinen Dorf in Gallien, das sich sehr standhaft und äußerst erfolgreich gegen die Herrschaft der Römer zur Wehr setzte. Historiker und andere Geschichtskenner wissen, dass daran der Zaubertrank des Dorfdruiden Miraculix nicht ganz unbeteiligt war. Den dadurch verliehenen Superkräften war es zu verdanken, dass die zwei Freunde immer wieder die römischen Legionäre das Fürchten lehrten. Da das römische Imperium nicht überlebt hat, besteht auch kein Bedarf mehr für einen Zaubertrank, der einem die Superkräfte eines Obelix verleiht – oder vielleicht doch?

Unser Immunsystem kann durchaus mit den tapferen Galliern verglichen werden, muss es sich doch tagtäglich mit den verschiedensten Eindringlingen und Gegnern befassen. Wäre es da nicht hilfreich, wenn wir unseren Körper mit einem Elixier stärken könnten, das genau wie jenes von Miraculix ganz einfach und mit natürlichen Mitteln hergestellt wird? Die Rede ist hier von Oxymel, einem Elixier aus Essig und Honig, das bei Bedarf zusätzlich auch mit Kräutern, Gewürzen, Früchten oder Wurzeln vermischt werden kann. Lassen Sie uns wie Obelix in die faszinierende Welt des Oxymel eintauchen!

Der Trunk der alten Griechen

„Lass die Nahrung deine Medizin sein und Medizin deine Nahrung!“ Dieser jahrtausendealte Rat des griechischen Arztes Hippokrates von Kos (460 v. Chr. – 370 v. Chr.) wird heute in der westlichen Medizin leider viel zu selten befolgt. Vielmehr sind die häufigsten Zivilisationskrankheiten wie Krebs, Diabetes mellitus, Arteriosklerose etc. die Folge einer falschen Ernährung. Wir Menschen täten also gut daran, uns auf die Erkenntnisse unserer Vorfahren zu besinnen. Vor allem, wenn es um fast vergessenes Heilwissen geht.

Der Name Oxymel bedeutet so viel wie Sauerhonig und setzt sich aus den griechischen Wörtern „oxy“ für „sauer“ („oxos“ bedeutet „Essig“) und „meli“ für „Honig“ zusammen. Erstmalig erwähnt wurde Oxymel vor über 2'500 Jahren von dem griechischen Philosophen Pythagoras, der sich selbst mit Meerzwiebel-Oxymel kurierte. Auch Hippokrates wusste um die hervorragende Wirkung von Sauerhonig und erwähnte ihn in seinem Buch Über die Diät bei akuten Erkrankungen. Bereits die einfache Grundrezeptur von Essig und Honig ist pharmakologisch wirksam und trägt den Namen Oxymel simplex. Viele Gelehrte und Ärzte haben über die letzten Jahrhunderte Oxymel mit weiteren Pflanzenextrakten vermischt. Solche zusammengesetzten Elixiere bezeichnet man als Oxymel compositum. Egal ob bei den Römern, den Persern, den Israeliten, in Klosterbüchern oder bei Hildegard von Bingen: Zahlreiche Schriften belegen die Effektivität der Oxymel-Rezepturen und deren breites Wirkungsspektrum.

Nun könnte man sich fragen, warum bei uns Sauerhonig in Vergessenheit geraten ist. Dies hat mehrere Gründe: Einerseits schmeckten die althergebrachten Rezepturen häufig nicht besonders appetitlich und führten nicht selten auch zu Brechreiz und Durchfall. Andererseits wurden die Mischungen oftmals gekocht – etwas, das auch heute noch sehr kontrovers diskutiert wird. Zudem handelte es sich bei den Ingredienzien ausschließlich um natürliche Zutaten, die sich nicht standardisieren oder patentieren ließen. All dies machte es den neu aufkommenden synthetischen Pharmazeutika leicht, das uralte natürliche Heilwissen zu verdrängen, bis es 2010 praktisch in Vergessenheit geraten war.

Zufällig schnappte die Österreicherin Gabriela Nedoma1 den Begriff Oxymel als Randbemerkung bei einer Vorlesung auf. Völlig fasziniert begab sie sich auf die Suche nach alten Überlieferungen und begann diese zusammenzutragen. Damit trug sie maßgeblich dazu bei, dass Oxymel heute wieder in vielen Bereichen einer naturnahen Medizin eingesetzt wird. Sie war es auch, die die zum Teil „veralteten“ Rezepte modernisiert und viele neue Rezepturen entwickelt hat, die einen signifikant höheren Wirkstoffgehalt und kürzere Mazerationszeiten aufweisen.

Das Tolle am Sauerhonig? Er kann sowohl innerlich als auch äußerlich, zum Gurgeln, als Wundsalbe, Wickel oder Zäpfchen, angewendet werden. Dokumente aus dem alten Ägypten attestieren Oxymel eine Wirksamkeit bei 88 Erkrankungen, von Fieber über Verdauungsprobleme bis hin zu Depressionen. Und persische Medizingelehrte katalogisierten über 1'200 Oxymel-Rezepturen und deren Indikation bei verschiedensten Krankheitsbildern. Oxymel gilt zudem als sehr sicher, weil es sich bei den Hauptbestandteilen Essig und Honig um Lebensmittel handelt, die schon seit Jahrtausenden für ihre Heilwirkung bekannt sind.

Zwei Powersubstanzen spannen zusammen

Essig wird seit über dreitausend Jahren in vielen Kulturen zur Wunddesinfektion, Behandlung von Prellungen, Blutergüssen und Ohrenschmerzen, bei Schnupfen, Erkrankungen der Atemwege, Übelkeit, Durchfall und Erbrechen eingesetzt. Je nach Essigart ist eine hohe Anzahl von Antioxidantien, Spurenelementen, Mineralien und Ballaststoffen enthalten. Essig wirkt zudem fiebersenkend, zusammenziehend und regt die Verdauungsorgane an. Er kann schädliche Fäulnisbakterien im Darm abtöten, wirkt er doch antibakteriell und antiseptisch.

Bekanntester Verfechter der Apfelessig-Therapie war der amerikanische Arzt D. C.
Jarvis. Sein propagiertes Apfelessig-Honig-Gemisch entspricht dem einfachen Oxymel. Anders als heute wusste Jarvis jedoch nicht um das Potenzial, wenn Oxymel zusätzlich noch mit anderen Substanzen vermischt wird.

Quellenangaben