Unser Herz: Besungen von Poeten aller Zeitalter, vermarktet an jedem Valentinstag und begehrtes Objekt der Transplantationsmedizin – und doch immer noch wenig oder oft falsch verstanden. Wir lüften hier einige der Geheimnisse rund um dieses zentralste Organ im menschlichen Körper, erklären, warum das Herz tatsächlich brechen kann und wie wir es davor schützen können.
Unser Herz ist Sitz unserer Lebensflamme, hier befindet sich unsere innerste Wesensessenz. Dies zeigt sich allein schon daran, was wir tun, wenn wir uns räumlich auf uns selbst beziehen. Wenn Sie sich jemandem vorstellen, sagen Sie dann: „Hallo, ich bin Bruno“, und dann zeigen Sie auf Ihren Kopf, Ihren Ellbogen oder Ihren großen Zeh? Nein, Sie deuten mit der Hand auf Ihr Herz. Viele antike Kulturen glaubten, das Herz sei dasjenige Organ, welches nicht nur unsere Emotionen, sondern auch maßgeblich unsere Moral und unsere Entscheidungsprozesse steuert. Tatsächlich ist die Vorstellung des Herzens als bloße mechanische Pumpe erst rund dreihundert Jahre alt, und ziemlich sicher falsch.1 Wir alle wissen intuitiv, dass da „mehr“ ist, und über vierzig Jahre Forschung (zum Beispiel durch das HeartMath-Institut) bestätigen, dass unser Herz in der Tat ein komplexes, selbst organisierendes, intelligentes System mit einem eigenen „Gehirn“ ist.
Das Herz verfügt über ein eigenes Nervensystem, bestehend aus mindestens 40'000 Nervenzellen, welches so umfassend ist, dass es mit Fug und Recht als ein kleines Gehirn bezeichnet werden kann. Dadurch hat das Herz die Fähigkeit, unabhängig zu fühlen und wahrzunehmen, Informationen zu verarbeiten wie auch Entscheidungen zu treffen, und es ist offenbar auch in der Lage, zu lernen und sich zu erinnern. Forscher haben bewiesen, dass das Herz zudem wie eine Hormondrüse funktioniert und selber eine Vielzahl von Hormonen und Neurotransmittern produziert und ausscheidet, darunter das Liebes- und Bindungshormon Oxytocin. Nicht zuletzt ist das Herz im menschlichen Körper das Organ mit dem stärksten elektromagnetischen Feld. Jedes Organ hat ein elektromagnetisches Feld, aber jenes des Herzens überlagert den ganzen Körper und ist so stark, dass es noch in bis zu drei Metern Entfernung gemessen werden kann und daher auch für andere Lebewesen spürbar ist und diese beeinflusst.
Lange glaubte man, das Herz empfange seine Befehle vom Gehirn. Dem widerspricht aber allein schon die Tatsache, dass im ungeborenen Fötus das Herz zu schlagen beginnt, noch bevor das Gehirn gebildet wurde.2 Das Herz braucht keine Verbindung zum Gehirn, um zu schlagen, und offenbar entsteht der Herzschlag im Herzen selbst. Doch was genau den Herzschlag in Gang setzt, ist für die Wissenschaft noch immer ein Geheimnis. Das ist weiter nicht erstaunlich, da die Wissenschaft noch immer den Schöpfer aus seiner eigenen Schöpfung ausklammert und daher nicht erkennt, dass es der Schöpfer ist, der all seinen Geschöpfen den Atem des Lebens einhaucht. Man weiß heute jedoch, dass sich das Herz und das Gehirn in ständiger Kommunikation befinden, wobei das Herz den Löwenanteil des Gesprächs beansprucht. Das Herz sendet mehr Signale an das Gehirn als umgekehrt, und diese Herzsignale haben einen starken Effekt auf unser Gehirn. So wirken sie sich auf unsere Emotionen aus, beeinflussen jedoch auch unser Aufmerksamkeitsvermögen, die Wahrnehmung, das Gedächtnis und unsere Problemlösungsfähigkeit. Wissenschaftler sind zum Schluss gekommen, dass wir unsere Intelligenz und Intuition verbessern, wenn wir lernen, besser auf unser Herz zu hören. Man spricht daher auch von emotionaler Intelligenz oder Herzintelligenz und meint damit unsere innere Stimme, die uns hilft, unser Leben zu meistern. Das Herz ist eine Quelle schneller, intuitiver Weisheit und zieht als stärkster Taktgeber des Körpers alle Körpersysteme in seinen Rhythmus. Man könnte auch sagen, das Herz gibt für unser Leben den Ton an.3
Kopf und Herz sind aber keineswegs Konkurrenten, sondern sie streben, wie alles Leben, nach Balance. Wenn Kopf und Herz zusammenarbeiten, steht uns unser volles Potenzial zur Verfügung. In diesem Zustand der Harmonie entsteht das, was wir als „Flow“ bezeichnen: das beglückende Gefühl völliger Konzentration und Vertiefung, wo wir restlos in einer Sache aufgehen und dabei alles ganz einfach, wie von selbst geht, alles ist im Fluss. Wenn sich Herz, Verstand (Gehirn) und Emotionen im Einklang befinden, spricht man auch von Kohärenz. Kohärenz bedeutet Übereinstimmung, Gleichklang, während Inkohärenz heißt, dass unsere verschiedenen Körpersysteme nicht koordiniert arbeiten, sondern jedes sein eigenes Ding macht. Mit anderen Worten, es herrscht Chaos. Es ist klar, dass ein solcher Zustand für Körper und Psyche ein wahrer Energieräuber ist. Stress und negative Gefühle zerstören Kohärenz und schlimmer noch, die dadurch entstehende Inkohärenz erzeugt weiteren Stress – ein wahrer Teufelskreis also. Auf diesen sehr wichtigen Punkt kommen wir weiter unten noch einmal zurück.
Der Zustand der Kohärenz ist wissenschaftlich nachweisbar und physiologisch messbar. Hier ist zunächst wichtig zu verstehen, dass unser Herz kein Metronom ist, will heißen, der zeitliche Abstand zwischen zwei Herzschlägen ist nie gleich. Man bezeichnet diese Veränderlichkeit als Herzfrequenzvariabilität oder Herzratenvariabilität (HRV).4 Der Grund für die Veränderung ist unser autonomes (vegetatives) Nervensystem beziehungsweise dessen beide „Arme“, der Sympathikus und der Parasympathikus. Der Sympathikus beschleunigt unseren Herzschlag, der Parasympathikus verlangsamt ihn. Dies geschieht schon beim Ein- und Ausatmen. Das können Sie selber ganz einfach feststellen, indem Sie am Handgelenk oder an der Halsschlagader Ihren Puls erfühlen und dann langsam und regelmäßig ein- und ausatmen. Sie werden feststellen, dass Ihr Herzschlag beim Einatmen schneller wird, beim Ausatmen hingegen langsamer.5 Sympathikus und Parasympathikus sind Gegenspieler und gleichzeitig Partner und andauernd bestrebt, unser Herz-Kreislauf-System im optimalen Bereich zu halten, um in geeigneter Weise auf externe und interne Reize zu reagieren. Man kann es sich vorstellen wie bei einem Tennisspieler, der ständig seine Haltung verlagert, um jederzeit einen Ball annehmen zu können. Sind wir gesund, ist unser Herz reaktionsschnell und belastbar, es kann angemessen auf jede Situation reagieren. Daher ist Stress per se (wenn der Sympathikus sehr aktiv wird) für einen gesunden Körper kein Problem, da der Parasympathikus schnell wieder eine Balance herstellt und im Körper wieder Ressourcen aufbaut. Verliert das Herz jedoch seine Variabilität und beginnt in einem starren Rhythmus zu schlagen, dann ist das ein deutliches Anzeichen für Krankheit und Disharmonie im Körper. Im Gegensatz zu technischen Anwendungen (Mikrowellen!) oder auch computerisierten Abläufen kennt die Natur keine starren Prozesse und wiederholt sich nie exakt. Alles ist im Fluss und befindet sich in stetiger Veränderung und Vervollkommnung. Der Mensch bildet hier keine Ausnahme.
Es gibt viele Faktoren, die unser autonomes Nervensystem und damit unsere Herzratenvariabilität beeinflussen. Dazu gehören körperliche Aktivität und, wie wir bereits gesehen haben, unsere Atmung, doch auch unsere Gedanken spielen eine Rolle und insbesondere unsere Emotionen. Bei emotionalem Stress, also wenn wir negative Emotionen wie Wut, Ärger, Frust oder Angst empfinden, ergibt die Messung unserer Herzratenvariabilität ein unregelmäßiges, schwankendes Muster, ähnlich einem unwirtlichen Gebirge mit hohen, spitzen Zacken und tiefen Tälern. Physiologisch bedeutet dies nichts anderes, als dass die beiden Teile unseres autonomen Nervensystems aus dem Takt gekommen sind und nicht mehr zusammenarbeiten. Anders gesagt ist es in etwa so, als würden Sie versuchen, in Ihrem Auto vorwärtszukommen, indem Sie gleichzeitig das Gas- und das Bremspedal drücken. Der Verschleiß von Ihrem „Vehikel“ ist somit vorprogrammiert, und Sie kommen einfach nicht vom Fleck!
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