Internet: Wir bilden Ihnen gerne Ihre Meinung!

Wer liest denn überhaupt noch Zeitung, ist ja sowieso alles nur Lügenpresse! Da loben wir uns das freie Internet – doch kann man dem in Zeiten von Fake-News noch trauen?

In seinen Anfangstagen galt das Internet als Hort der freien Meinungsäußerung und -bildung. Kultur- wie auch Medienkritiker priesen das Netz als Bastion für all jene, die sich nicht der Meinungsmache der etablierten Kreise unterwerfen wollten und wünschten, selber etwas zur ungefilterten und freien Information für alle beizutragen. „Die Gedanken sind frei!“ So hieß es im Lied, und das geschriebene Wort sollte es auch sein.

Aufgepasst: Gerade im Internet jonglieren viele mit beim Spiel um unsere Meinung!

Aufgepasst: Gerade im Internet jonglieren viele mit beim Spiel um unsere Meinung!

Nun, ein paar Jahrzehnte später, ist die Euphorie der Ernüchterung gewichen. Zwar äußern tatsächlich Milliarden von Menschen ständig ihre Meinung, allerdings in zunehmend roher, intoleranter, primitiver und oft sinnfreier Fasson – so hatten wir uns das nicht vorgestellt. Und die Flut an Information, die im Internet kursiert, ist so immens, dass man darin ertrinken könnte. Wer kennt das nicht: Man surft im Netz auf der Suche nach einer bestimmten Information … und ein paar Stunden und Links später findet man sich an einem ganz anderen Ort wieder und versucht angestrengt, sich daran zu erinnern, wonach man ursprünglich eigentlich Ausschau hielt. Von der hell strahlenden Bastion ist nicht mehr viel übrig geblieben (sofern es überhaupt je eine war), aus dem Internet ist auch ein „Darknet“ geworden, auf dem von Drogen über Waffen bis hin zu Mord und Menschen alles Mögliche und Unmögliche gehandelt wird.

Vor allem aber war es wohl noch nie so schwierig, Lüge und Wahrheit, Wirklichkeit und Fiktion zu unterscheiden, wie heute, wo keiner mehr den Brockhaus in zwölf Bänden konsultiert. Tatsächlich war es noch nie so einfach, Informationen (und damit Meinungen) zu manipulieren. Die Anonymität des Internets macht’s möglich. Mit wenigen Mausklicks sind unangenehme Wahrheiten im Nu ausradiert, jemandem ein X für ein U vorzumachen geht ganz leicht mit Copy- Paste und wer weiß schon, ob sich hinter der vermeintlichen Großmutter nicht der böse Wolf verbirgt? Und können Sie sich überhaupt sicher sein, dass Sie mit einem Menschen aus Fleisch und Blut kommunizieren und nicht vielmehr mit einem Bot, also einem Roboter, der autonom vorprogrammierte Kommunikationsaufgaben ausführt?

Deine Krankheit ist unser Profit

Ein beliebtes Tummelfeld für Meinungsmacher sind Webseiten rund um die Themenbereiche Gesundheit beziehungsweise Krankheit. Unzählige Menschen suchen im Netz täglich nach Rat und Hilfe, viele konsultieren dabei etablierte Gesundheitsportale, von denen man sich Seriosität verspricht. In den USA sind das beispielsweise RxList, MedicineNet, Medscape oder WebMD. Letztere ist mit monatlich 75 Millionen Besuchern und zusätzlich 650'000 Anfragen von Ärzten die wichtigste und einflussreichste Seite. Jedoch: Viele dieser Seiten stehen unter sehr direktem Einfluss der Pharmaunternehmen. Zum einen schlicht dadurch, dass Aufsichtsrats- oder Geschäftsleitungsmitglieder durch Verwaltungsratsmandate oder Ähnliches mit Big Pharma liiert sind. Auch die Tantiemen sind wie immer ein Thema: WebMD allein generiert jedes Jahr rund 700 Millionen Dollar Einnahmen aus Werbegeldern von pharmazeutischen Unternehmen. Und im Fall der vier erwähnten amerikanischen Webseiten kontrollieren dieselben Unternehmen auch die Inhalte, denn alle Seiten gehören der Investmentgesellschaft KKR (Kohlberg, Kravis, Roberts & Co). Medscape beispielsweise hat sämtliche kritischen Beiträge über Impfungen gestrichen. Denn im Portfolio von KKR befinden sich auch ältere Medikamente von GlaxoSmithKline, deren Patente abgelaufen sind, der Diabetes-Bereich von Bayer und achtzig Prozent an Panasonic Health Care. Der CEO von KKR nimmt kein Blatt vor den Mund: „WebMD und Medscape sind Marktführer im Online-Gesundheitswesen und haben eine einmalige Reichweite zu den Konsumenten und den im Gesundheitswesen tätigen Personen – und jetzt sind sie sogar noch besser in der Lage, die pharmazeutische Produktlinie voranzutreiben.“ Unabhängigkeit sieht anders aus.