Wie lange wir gesund und fit bleiben, ist keine Frage der gottgegebenen Gene, sondern in erstaunlich hohem Maß unserem Lebensstil geschuldet. Wir können tatsächlich – sogar generationsübergreifend – unsere genetische „Programmierung“ überschreiben.
Fit, frisch und gesund wollen wir alle werden, sein und bleiben – und deshalb gesund leben, und zwar am liebsten ab morgen! Hier der Griff zum Kuchen statt zum Gemüse, dort Abhängen auf der Couch statt eines Spaziergangs. Kleinigkeiten, wiegeln wir ab, wenn wir uns wider besseres Wissen für die schlechtere Option entscheiden, einmal, zweimal, oft. Darauf kommt es nicht an, meinen wir – und irren uns gründlich. Die jüngsten Erkenntnisse der Epigenetik beweisen nachdrücklich, dass wir mit Entscheidungen dieser Art nichts Geringeres als die Identität unserer Körperzellen verändern können. Nicht mit nur einer, das ist klar. Doch wenn wir wieder und wieder die gesunde Wahl treffen, beeinflussen wir damit unser gesamtes Leben, indem wir unser Erbgut umprogrammieren.
Unser sogenanntes biologisches Alter reagiert sogar rasant schnell auf unseren Lebensstil und kann sich nicht nur innerhalb von Jahren, sondern auch innerhalb weniger Monate oder gar Wochen gesunden Lebens nach unten korrigieren. Es sind nämlich nicht die „guten Gene“, mit denen wenige Auserwählte gesegnet sind, die dafür verantwortlich sind, dass die einen bis ins hohe Alter gesund und geschmeidig bleiben, während die anderen schon früh abbauen. Unsere biologische Mitgift ist nicht in Stein gemeißelt, sondern lediglich ein Ausgangspunkt; ein Angebot und bei Weitem nicht das umfassende Potenzial in seiner gesamten Fülle, das wir im Lauf unseres Lebens entwickeln können.
In der Forschung geht es längst nicht mehr um die Frage „Genetik versus Umwelt“, wie Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk im Gespräch erklärt. Er muss es wissen, da er schon seit fast einem Vierteljahrhundert in diesem Bereich forscht und arbeitet und sein geballtes Wissen in seinem jüngsten Buch teilt. Stattdessen gilt laut dem Experten: „Die Umwelt und auch unser eigenes Verhalten verändern die Genetik, und das ist die spannende Erkenntnis der Epigenetik.“ Für den Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Präventions- und Anti-Aging-Medizin stellt die Epigenetik eine Art von Kommunikation dar, einen Dialog der Gene mit der Umwelt. „Mit diesem Zwiegespräch passt sich die menschliche Biologie an die kleinen und größeren Herausforderungen des Lebens an“, so der Bestseller-Autor. „Es gibt einen beträchtlichen Teil in jedem Menschen, der sich dauerhaft modulieren und korrigieren lässt.“
Die Schwesterdisziplin der klassischen Genetik beweist seit den 2000er-Jahren, dass wir weit mehr sind als die Summe unserer Gene: nichts weniger als die Schöpfer unseres Schicksals – und zwar auf Zellebene.
Unser angeborenes Erbgut ist, wenn man so will, die Ausrüstung für unsere Wanderung auf dieser Welt. Als solche ist es vielleicht ein Wegweiser, nicht aber der Weg selbst oder gar sein Ziel. Wir können unterwegs die Schuhe austauschen oder den Wanderstock auf die optimale Länge einkürzen, wir können Abkürzungen finden. Jene Faktoren, die uns zu dem machen, was wir letztendlich werden, reichen weit über unsere Gene hinaus.
Dafür gibt es prägnante Beispiele in der Tierwelt: Zwei Bienen, die als Larven aus ihren Eiern schlüpfen, bringen die identischen genetischen Anlagen mit. Doch je nachdem, womit und wie lange sie gefüttert werden, entwickeln sich die Larven vollkommen anders. Die eine, die Futtersaft, Honig und Pollen erhält, wird zur Arbeiterin. Die andere, die viel häufiger und noch dazu mit Gelée Royale gefüttert wird, entwickelt sich zur Königin.
Die Pflanzenwelt reagiert durch biochemische Veränderungen an der DNA sogar generationsübergreifend auf Umwelteinflüsse – etwa der Wilde Rettich, der als Reaktion auf Raupenfraß dafür sorgt, dass aus seinen Samen Pflanzen mit mehr schützenden Pflanzenhaaren wachsen. Bei Menschen zeigt die faszinierende Zwillingsforschung, dass zwei Menschen mit praktisch identischem Erbgut (99,99 Prozent) abhängig davon, wo und wie sie aufwachsen, sehr verschieden „ausfallen“ können in Hinblick auf soziale Anerkennung, Zufriedenheit und beruflichen Erfolg. Denn es sind ihre Unterschiede im Lebensstil, die zu erheblichen Abweichungen in Bezug auf Gesundheit, Stressresistenz und biologisches Alter führen.
In jedem einzelnen Kern der mehr als 200 verschiedenen Zelltypen befindet sich das fadenförmige DNA-Molekül, das unser gesamtes Erbgut enthält. Die Gene, die auf den DNA-Fäden sitzen, enthalten codierte Baupläne für Proteine, die bei Bedarf vom Körper abgelesen werden. Die „Haushaltsgene“, die für Stoffwechsel, Zellteilung und dergleichen zuständig sind, sind in allen Zellen ablesbar, andere nur in bestimmten Zelltypen, je nach deren spezifischer Aufgabe.
Die Epigenetik teilt den Zellen ihre Aufgaben zu und ermöglicht es einzelnen Genomen, sich an die Umweltbedingungen anzupassen. Dabei verändert sie nicht das Erbgut oder die Reihenfolge der Genome; der Code der DNA bleibt immer bestehen. Aber es gibt eine Art von „chemischen Schaltern“, wie Kleine-Gunk das nennt, „die wie molekulare Bremsklötzchen auf den Genen sitzen und dafür sorgen, dass diese unterschiedlich leicht abgelesen werden können.“ Ein Genom, das leicht abgelesen werden kann, setzt sich durch. Auf ein Genom, das schwer oder gar nicht zu lesen ist, kann eine Zelle nicht zugreifen. Es gibt bestimmte Modifikationen, die darüber entscheiden, ob ein Gen auf Zellebene aktiviert oder blockiert wird. Zu den wichtigsten gehören die DNA-Methylierung und die Histon-Modifikation.
Bemerkenswert ist, dass einige dieser epigenetischen Prägungen nur Minuten oder Jahre lang andauern, während andere permanent sind. Prägende Erfahrungen im Kindesalter, etwa Missbrauch oder Vernachlässigung, zeigen sich noch Jahrzehnte später im Epigenom. Mehr noch: Bestimmte dem Lebensstil geschuldete zelluläre Prägungen reichen sogar über das Individuum hinaus und übertragen sich auf dessen Nachkommen. Regelmäßige Meditation beispielsweise wirkt sich so nachhaltig auf unseres Stresssystem aus, dass unsere Kinder davon profitieren können. Doch auch alte Wunden und nicht verarbeitete Traumata können auf unsere Nachkommen vererbt werden.
Die Epigenetik kann im Grunde beweisen, was Tolstoi schreibt: „Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, aber jede unglückliche Familie ist auf ihre besondere Art unglücklich.“ Kleine-Gunk dazu: „Weil Probleme bei der Stressverarbeitung oder Angst- und depressiven Störungen familiär gehäuft auftreten, dachte man früher, sie hätten genetische Ursachen, hat aber auf dieser Ebene nichts gefunden. Dabei sind die Gründe epigenetisch: Ein Trauma kann sich bis auf Zellebene auswirken und sogar über Generationen weitervererbt werden. Wenn die Mutter ein schreckliches Erlebnis während der Schwangerschaft hatte, dann bewirkt es epigenetische Veränderungen, die sich an ihrem Methylierungsmuster nachweisen lassen und auch an dem ihrer Kinder. Wenn wir sagen, dass Epigenetik unsere Gene verändert, wirkt das auch transgenerational.“
Unabhängiger und unerschrockener Journalismus, wie ihn die ZeitenSchrift bietet, ist wichtiger denn je. Wir können unsere Aufgabe indes nur erfüllen, wenn das Magazin von möglichst vielen Menschen gelesen wird. Mit unserem verbilligten Heftangebot soll die ZeitenSchrift weiterhin so erschwinglich wie möglich bleiben. Womit wir nämlich heute konfrontiert sind, ist die minutiöse Umsetzung eines Masterplans, der uns in die totalüberwachte und digitalisierte Welt des „Great Reset“ führen soll. Wollen Sie mithelfen, damit viele Leute unabhängig und fundiert informiert werden?
Dann können Sie von den zwanzig Ausgaben der Nummern 102-121 bis auf Weiteres drei Exemplare für den Preis von zwei bestellen, zzgl. Porto. Das gilt selbstverständlich auch für entsprechend vielfache Mengen (z.Bsp. 9 Stück bestellen und nur 6 bezahlen). Dabei können Sie frei wählen, welche und wie viele Exemplare der Ausgaben Sie zu einem "3 für 2"-Paket zusammenstellen wollen.
>> Bestellen Sie Ihre Exemplare gleich hier!
Herzlichen Dank, wenn auch Sie diese wichtigen Informationen verbreiten und zu "Verteidiger des gesunden Menschenverstands" werden.