Kernkraft: Das Unteilbare zu spalten bringt den Tod

Eine Renaissance der Kernkraft ist nicht die Lösung für Energiekrise und Klimawandel. Unter anderem, weil ihre exzessive Nutzung die Erde zu einer Wüste machen würde. Dies die Erkenntnis eines Universalgenies, von der sogar Wissenschaftler wie Albert Einstein und Nikola Tesla tief beeindruckt waren.

Weit jenseits des messbaren Bereichs verteilen Kernkraftwerke das Todesprinzip der Radioaktivität über die ganze Erde.

Der Schock durch die Atomkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 hat die Menschen in Europa dazu gebracht, baldmöglichst aus der Kernenergie aussteigen zu wollen. Ein Dutzend Jahre und eine hausgemachte Energiekrise später wirkt dieser Vorsatz nicht mehr so erstrebenswert. Die Befürworter der Kernenergie suchen erneut das Rampenlicht und preisen die angeblich bevorstehende „Zähmung des Zweiten Feuers“, wie es der Schweizer Atomphysiker Serge Prêtre in Anlehnung an die Eroberung des Feuers durch die Urmenschen genannt hat. „Die Kernenergie kündet den Beginn von etwas Neuem und Großartigem an, das zuerst die Ängste unserer Vorfahren wieder aufkeimen lässt, dann aber die Stelle des ersten Feuers übernehmen und die Menschheit in eine noch weniger vorstellbare Zukunft befördern wird“, jubiliert der „Kernenergetiker“ Manfred Haferburg in einem unlängst veröffentlichten Essay. Er hat weltweit in über 120 Kernkraftwerken gearbeitet.

Weltweit sind 432 Kernkraftwerke in Betrieb und liefern ein Zehntel des erzeugten Stroms – verlässlich und ohne nennenswerten CO2-Ausstoß. 50 weitere Atommeiler sind im Bau und bald soll ein Viertel der globalen Elektrizität von AKWs stammen. Die neusten Reaktoren der sogenannten Generation IV seien „inhärent sicher“, behauptet Haferburg, der Regierungen in Sicherheitsfragen berät. Ein GAU sei nicht zu erwarten, „da diese Reaktoren Eigenschaften aufweisen, die sie von Natur aus nicht anfällig für Radioaktivitätsfreisetzung machen“. Eine absolute Sicherheitsgarantie klingt trotzdem anders.

Egal, denn es geht künftig um viel Geld: Wo heutige Kernkraftwerke mehrere Tausend Megawatt Leistung generieren, sind „Mikroreaktoren mit nur einigen Megawatt beziehungsweise Kilowatt denkbar, deren Anwendungsmöglichkeiten die Grenzen jeder Fantasie sprengen“, schwärmt der Atomlobbyist. So entwickle Finnland bereits einen Reaktor, der in unmittelbarer Nähe einer Stadt stehen und diese mit „günstiger und umweltfreundlicher Fernwärme“ versorgen soll. Atomar betriebene Kreuzfahrtschiffe oder Lastwagen – alles scheint möglich.

Deshalb hat auch der Microsoft-Gründer und Covid-Impfstoff-Financier Bill Gates viel Geld in Projekte gesteckt, welche die Atomkraft vorantreiben sollen. Gates wollte mit der chinesischen Führung zusammen solch neuartige Atommeiler in China zum Test in Betrieb nehmen. Doch als Donald Trump während seiner ersten Präsidentschaft der Wirtschaftsmacht aus Fernost den Kampf angesagt hatte, unterband die amerikanische Regierung Gates’ Atom-Vorhaben – der natürlich alles andere als erfreut über Trumps Entscheidung gewesen war.

Wer aber kümmert sich um das Problem der Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle? Manfred Haferburg winkt ab. Weil viele der neuartigen Reaktoren die Abfälle der herkömmlichen Kernkraftwerke verbrennen könnten, würden „nur noch Abfälle mit Strahlungsgefahr von 300 Jahren entstehen“. Also keine Zehntausende und Hundertausende von Jahren mehr, wie man bislang dachte. Will man Haferburg glauben, so werden wir schon bald im (Energie-)Paradies angelangt sein: „Mit den radioaktiven Abfällen, die in den deutschen Zwischenlagern stehen, kann man mit den Reaktoren der Generation IV Deutschland 300 Jahre lang mit Strom versorgen.“ Stattdessen habe die deutsche Politik beinahe 700 Milliarden Euro für Subventionen verschleudert, um Wind- und Solarkraftwerke zu fördern.

Albert Einstein bedauerte später zutiefst, dass er sich nicht viel intensiver mit den Werken des Universalgenies Walter Russell (links) auseinandergesetzt hatte.

Das Herz aber schreit auf

Klingt alles einleuchtend. Sogar verlockend. Wenn da nur nicht das angeblich nur kleine Restrisiko wäre. Für die rationale Logik ist das kein Problem. Sie wägt die (erwarteten) Vorteile gegen die (nicht erwarteten) Risiken ab. Dann liegt die emotionslos gefällte Entscheidung auf der Hand: Warum zögern – oder gar davor zurückschrecken –, kräftig an Aladdins Wunderlampe zu reiben?

Was uns zurückhält, ist das Herz. Und die Erinnerung an jene schrecklichen Bilder der zerstörten Städte Hiroshima und Nagasaki, wo Zehntausende in einem Feuerball verdampften und noch mehr Überlebende des Infernos elend an der Strahlenkrankheit zugrunde gingen. Die Erinnerung an die Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima, welche weite Landstriche unbewohnbar machten und den radioaktiven Fallout über den ganzen Erdball verteilten. Wie kann etwas natürlich und gut, sinnvoll und richtig sein, wenn es potenziell solche Zerstörungskraft in sich birgt? So fragt das Herz den kalten Intellekt. Doch welcher Entscheidungsträger ist im Bewusstsein weit genug entwickelt, dass er es bereits heute wagt, mit dem Herzen zu denken?

Das Wort „Atom“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „unteilbar“. Atome zu spalten, sie explodieren zu lassen, ist ein Frevel an der Schöpfung. Und die damit freigesetzte Energie so gewalttätig, dass sogar Planeten daran zerbersten können. Das ist bereits geschehen, wovon der Asteroidengürtel noch heute Zeugnis ablegt: Die vielen Brocken seien alles, was von einem gesprengten Planeten noch übrig geblieben ist.1 Und selbst auf Erden sind wir beileibe nicht die erste Kultur, die in ihrer Hybris Atome gespalten hat. So erzählen beispielsweise die altindischen Veden, dass Menschen schon vor Jahrtausenden mit Ufos flogen. Und sich mit Atomwaffen bekämpften.2

J. Robert Oppenheimer war ein Kenner dieser vedischen Literatur und hatte nach dem ersten erfolgreichen Atomtest aus der Bhagavad Gita die Worte von Shiva zitiert: „Jetzt bin ich zum Tod geworden, zum Zerstörer der Welten.“ Als der „Vater der Atombombe“ 1952 dann während eines Vortrags an der University of Rochester gefragt wurde, ob man beim Test von White Sands die allererste Kernwaffe gezündet habe, antwortete er kryptisch: „Nun ja, zumindest in der modernen Geschichte.“

Der Dschinn konnte indes nicht mehr zurück in die Flasche gebannt werden. Jene, die ihn freigelassen hatten, sollten es zeitlebens bereuen. Auch Oppenheimer, der die nächste Stufe des Irrsinns vergeblich zu verhindern trachtete: Am 1. März 1954 zündeten die Amerikaner auf dem Bikini-Atoll eine Wasserstoffbombe, welche tausendmal stärker war als jene von Hiroshima. „Wir haben als Physiker erfahren, was Sünde ist, und wir können diese Erfahrung nicht mehr abschütteln“, war sein bekümmerter Kommentar dazu.

Auch Enrico Fermi, der mit dem Bau des ersten Atomreaktors 1942 den technischen Grundstein zur Atombombe legte, weigerte sich „aus fundamentalen ethischen Grundsätzen“, an dieser Waffe mitzuarbeiten. Albert Einstein, der dem US-Präsidenten Roosevelt 1939 zum Bau der Atombombe geraten hatte, litt sein ganzes Leben unter dieser Last und sagte einmal: „Wenn ich noch einmal auf die Welt komme, werde ich nicht Physiker, sondern Handwerker.“ Und Otto Hahn, der als Erster ein Uran-Atom im Labor spaltete und dafür den Nobelpreis bekam, wollte sich das Leben nehmen, als er während seiner Kriegsgefangenschaft in England von Hiroshima erfuhr.

Trotzdem verspricht Kernenergetiker Manfred Haferburg: „Wir befinden uns mitten in dem Jahrzehnt, in welchem die neuen Reaktortypen ihre Industriereife erlangen.“ Jene, die angeblich „inhärent sicher“ sein sollen. Deshalb müssen wir gerade heute auch bei der zivilen Nutzung der Atomkraft dringend die Frage stellen: Ist sie die Wunderlampe, die Wohlstand verspricht, oder eben doch die Büchse der Pandora, welcher das Verderben entweicht, sobald man sie öffnet?

Quellenangaben