Ukraine: Bauernopfer im globalen Machtpoker

Nach zwei Jahren irrealem Krieg gegen ein Virus sind wir nun mit dem sehr realen Krieg in der Ukraine konfrontiert. Wie so oft sind auch in diesem Konflikt die Fronten zwischen Gut und Böse längst nicht so klar, wie man uns glauben machen will.

Die Ukraine wurde von den USA gegen Russland in Stellung gebracht.

Die Ukraine wurde von den USA gegen Russland in Stellung gebracht.

Da ich die folgenden Zeilen in der zweiten Märzwoche schreibe, ist nicht abzusehen, wie sich die Situation in der Ukraine und in Europa bei Erscheinen dieses Hefts präsentieren wird. Wir alle haben die Hoffnung, dieser von vielen für unmöglich gehaltene Krieg werde so schnell wie möglich vorüber sein. Und wir sind fassungslos über das Leid, das wie üblich vor allem über jene hereinbricht, die nichts dafür können: anständige Menschen, die einfach nur in Frieden leben wollen. Die Wogen der Empörung und des Hasses gegen den Aggressor Putin schlagen entsprechend hoch. Nein, wir sind keine Bewunderer von Wladimir Putin und halten ihn auch nicht für so etwas wie die letzte Bastion, die der Profit- und Machtgier internationalistischer Eliten mutig die Stirn bietet. Ebenso wenig wollen wir seine jüngsten Entscheidungen rechtfertigen. Im Gegenteil.

Doch unsere mittlerweile mehrere Jahrzehnte umfassende journalistische Erfahrung hat uns auch gelehrt, dass die Wahrheit in der Politik höchst selten nur schwarz oder weiß ist. Das gilt besonders für die Ukraine, die im Zentrum der Machtgeometrie zwischen Washington, Brüssel und Moskau liegt. Schon vor sieben Jahren hatten wir ausführlich über diesen „Weltschlüsselkonflikt“ geschrieben, wie es der Sachbuchautor Bernard Rode in seinem 2016 erschienenen Wälzer Pulverfass Ukraine nennt. Seit Herbst 2013 herrscht in der Ostukraine mehr oder weniger Bürgerkrieg. Der Westen ist dafür mindestens so verantwortlich wie die russischen Separatisten im Donezbecken.1 Denn die Ukraine ist seit dem Zerfall der Sowjetunion ein Zankapfel zwischen der atlantischen Seemacht USA und der eurasischen Kontinentalmacht Russland.

Von 2015 bis 2017 hatte der amerikanische Regisseur Oliver Stone (Platoon, JFK, Wall Street, Nixon, World Trade Center, Snowden) Präsident Putin an insgesamt neun Tagen zum persönlichen Gespräch getroffen. Sie wurden unter dem Titel Die Putin-Interviews im US-Fernsehen ausgestrahlt und später auch in deutscher Übersetzung als Buch veröffentlicht.

Putin sagt darin, dass er nach dem Ende der Sowjetunion glaubte, der Kalte Krieg und mit ihm die Bedrohung in Gestalt eines bewaffneten Konflikts seien nun endlich vorbei. Obwohl die Gespräche immer respektvoll geführt werden, merkt Stone einige Male pointiert an, dass die Macht oft die Eigenschaft hat, die Herrscher eines Landes im Namen eines fehlgeleiteten Patriotismus zu korrumpieren. Und dies, so Stone, sei ein Problem, das jeden Staat und definitiv auch Russland betreffen könne. Stone konfrontiert den Kremlchef vor allem mit Russlands Rolle in der Weltpolitik, angefangen von der Unterstützung des syrischen Assad-Regimes bis hin zur Anschuldigung, die Trump-Präsidentschaftswahl beeinflusst zu haben (was Putin bestreitet), er befragt ihn zu Edward Snowden (den Putin für keinen Verräter hält, dessen Handlungen er aber auch nicht gutheißt) und gibt ihm die Möglichkeit, „seine Version der Geschichte darzustellen“. Bei den letzten Gesprächen fällt eine gewisse Verdrossenheit Putins auf, „als hätten ihn seine erfolglosen Versuche, endlich zur amerikanischen Führung durchzudringen, ein wenig zermürbt“, schreibt der bekannte US-Journalist Robert Scheer.

In Bezug auf die Gespräche mit Putin sagte Stone, dass er ihn mit seinen Führungsqualitäten und wie er die Interessen Russlands verteidigte, beeindruckte: „Er ist der wahre Sohn Russlands.“ Stone war während der Dreharbeiten auch überrascht von der Disziplin, Effizienz und Ausdauer des russischen Präsidenten.

Die Dokumentation sorgte für Wirbel, erhielt aber auch viel Lob. So meinte zum Beispiel Stephen F. Cohen, Professor für Russistik an den Universitäten von New York und Princeton: „Für alle, an denen die jahrelange Verteufelung Putins durch die Massenmedien nicht spurlos vorübergegangen ist“, würden diese Interviews „ein wahrer Augenöffner sein“. Und sogar die New York Times würdigte anerkennend: „Stone gelingt es mit seiner Arbeit, unsere Perspektive neu auszurichten.“ Das war vor knapp fünf Jahren. Heute ist davon nichts mehr zu spüren. Trotzdem ist Stones Forderung von damals wichtiger denn je: „Wenn Wladimir Putin wirklich der große Feind der USA ist, dann sollten wir zumindest versuchen, ihn zu verstehen.“

Im Gespräch bleiben, Verständnis füreinander aufbringen und dann nach einem Kompromiss suchen, mit dem beide Seiten leben können. Das ist eine goldene Regel, die sich nicht nur bei nachbarschaftlichem Knatsch bewährt, sondern auch im Konflikt zwischen Völkern. Krieg zu verhindern ist die edelste Aufgabe der Diplomatie. Manchmal jedoch wird sie für das Gegenteil missbraucht. Dann treten Verachtung und Lüge an die Stelle von Respekt und Ehrlichkeit. Aus diesem Grund begann der Krieg um die Ukraine nicht erst am 24. Februar 2022 mit dem „russischen Überfall“ (Wikipedia), sondern schon viele Jahre früher.

Ein Realitätsverlust?

Von außen betrachtet ist Putin die in den Gesprächen mit Regisseur Stone gezeigte Vernunft abhandengekommen. Russische Oppositionelle behaupten, der Präsident habe sich in der langen Isolation der Corona-Pandemie zunehmend radikalisiert, „als er einsam im Kreml saß, umgeben einzig von ein paar Jasagern“, wie es Dieter Ruloff formulierte, Professor emeritus für Internationale Beziehungen an der Universität Zürich. Es ist bekannt, dass Putin eine Heidenangst vor einer Corona-Ansteckung hat und sich deswegen einbunkert. Man darf sich ihm angeblich nur auf sieben Meter nähern. Wer an Weihnachten die jährliche Pressekonferenz des Präsidenten besuchen wollte, wurde vor dem Presseraum durch eine Desinfektionssprühanlage geschickt und musste zuvor drei negative PCR-Tests vorlegen. Journalisten aus dem Westen warten vor einem Interviewtermin zwei Wochen in Quarantäne.

Offiziell hat sich Putin schon früh gegen Covid impfen lassen, erstaunlicherweise hinter verschlossenen Türen. Man munkelt, er habe heimlich die mRNA-Geninjektionen aus dem Westen bekommen, weil er den heimischen Impfstoffen wie Sputnik V misstraue. Es geht aber auch das Gerücht, er sei in Wahrheit ein Impfgegner und wolle sich unter gar keinen Umständen spritzen lassen – was natürlich erklären würde, weshalb er das Virus unbedingt auf Abstand halten will. Vielleicht weil auch Putin davon ausgeht, dass Sars-CoV-2 menschengemacht ist und aus dem Labor stammt? Der Kreml hüllt sich zu diesen Gerüchten in Schweigen.

Alexei Wenediktow ist Chefredakteur des größten Radiosenders in Russland und seit Putins Aufstieg ins höchste Staatsamt persönlich mit ihm bekannt. Er habe ihn als „äußerst vorsichtige, äußerst gewissenhafte, äußerst aufmerksame und äußerst besonnene Person“ gekannt. Doch jetzt, nachdem er den Kremlchef ein Jahr lang nicht mehr gesehen habe, erkenne er ihn nicht wieder, sagte Wenediktow Anfang März 2022. Putin sei „unaufmerksam, nachlässig, rücksichtslos und skrupellos“ geworden. Das zeigt auch der Mitschnitt einer Sitzung des Russischen Sicherheitsrats: Vom Präsidenten in der kalten Manier eines Stalin zur Anerkennung der zwei Donbass-Republiken in der Ostukraine durch Russland befragt, beginnt der Geheimdienstchef vor lauter Angst zu stottern und widerspricht seinen eben gemachten Äußerungen gleich wieder selbst. Das ist ein Hinweis, dass womöglich sogar Geheimdienstinformationen, die nicht Putins Sichtweise entsprechen, den Präsidenten nicht mehr erreichen. So glaubte er wohl tatsächlich, in zwei Tagen würden seine Panzer in Kiew mit Blumen empfangen.

Der deutsche Journalist Boris Reitschuster lebte sechzehn Jahre in Russland, wo er das Büro des Nachrichtenmagazins Focus leitete. Er hält Putin zwar nicht für „durchgedreht, aber für einen Gefangenen seiner eigenen verqueren Realität“: „Putin spricht viel von Demokratie. Doch was die bedeutet, hat er eher bei Erich Honecker gelernt als bei Willy Brandt.“ Als junger KGB-Offizier war Putin von 1985 bis 1990 in Dresden stationiert und verpasste damit die Perestroika („Umgestaltung“) in Russland. Der Dialog mit dem russischen Präsidenten sei so tückisch, „weil er die gleichen Begriffe benutzt wie wir, aber etwas anderes meint. Modernisierung bedeutet für ihn auch modernere Wahlfälschung und Zensur. Die westlichen Ideale hält er für Etikettenschwindel. Er glaubt, dass wir nur besser sind im Lügen. Dass Demokratie mehr sein könnte als Propaganda, liegt außerhalb seiner Vorstellungswelt“, so Reitschuster.

Der jüngste Umgang westlicher Demokratien mit ihren Corona-kritischen Bürgern dürfte Putin in dieser Meinung noch bestärkt haben.

Geheime Virenlabore

Die USA betreiben laut Regierungsquellen über 400 mehr oder weniger geheime Biolabore in 25 Ländern. Deren Forschung ist so gefährlich, dass sie im Sommer 2019 wegen ernster Sicherheitsbedenken auf amerikanischem Boden untersagt worden war. Offiziell will man dank solcher Labore die Menschheit künftig besser vor mikrobiellen Gefahren schützen können. Ob stattdessen auch biologische Kampfstoffe entwickelt werden, wissen nur die Eingeweihten. Schon jetzt gibt es künstlich geschaffene Grippestämme, die 200-mal gefährlicher sein sollen als natürliche Grippeviren. Und das sind noch die harmlosen unter diesen Erregern.

Die 25 Länder sind nicht gerade in den sichersten – oder demokratischsten – Weltregionen angesiedelt: Nahost, Afrika (Äthiopien, Kamerun), Südostasien (Thailand, Vietnam) sowie die ehemaligen Sowjetgebiete Aserbaidschan, Armenien, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Usbekistan und eben auch der Ukraine. Nach außen dienen die Biolabore der landwirtschaftlichen oder medizinischen Forschung, „damit die Ukraine Ausbrüche gefährlicher Krankheitserreger erkennen und melden kann, bevor sie eine Bedrohung für die Sicherheit oder Stabilität darstellen“, wie es die US-Botschaft in Kiew formuliert. Weshalb aber wurden dann die Fact Sheets zu diesen Laboratorien ausgerechnet in den ersten Kriegstagen von der Internetseite der US-Botschaft in der Ukraine gelöscht? Und weshalb werden diese Labore aus dem amerikanischen Verteidigungsbudget finanziert? In den letzten Jahren gab das Pentagon allein für die Entwicklung biologischer Waffen über 100 Milliarden Dollar aus. Aus derselben Quelle sprudelt auch Geld in die Taschen von Hunter Biden, dem Sohn des US-Präsidenten.

Quellenangaben