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Die magische Papierklammer

David Seiler | 2. Januar 2025

Egal ob Groß oder Klein, Jung oder Alt: Wir alle haben Momente, in denen wir schlechte Laune haben, weil unsere Gefühle, Gedanken oder Erinnerungen mit uns durchgehen. Zwei einfache Tricks für Kinder und Erwachsene können in solchen Situationen helfen, sich wieder auszurichten.

Die magische Papierklammer

Kaum hatten wir uns für den nachmittäglichen Spaziergang auf den Weg gemacht, da hatte unsere Tochter schon sooooo müde Beine. Sie konnte unter keinen Umständen mehr mit ihrem Roller weiterfahren. Sie wollte – ja musste – unbedingt getragen werden. Und am besten jetzt sofort. Wer Kinder hat, weiß, dass in solchen "Notsituationen" jegliches Diskutieren oder Negieren der kindlichen Bedürfnisse kontraproduktiv ist und – je nach Alter des Kindes – in einem Zornausbruch, Schreikrampf oder Trotzanfall enden kann. (Und manchmal auch irgendwie in einer Kombination aus allem ...) Was also tun? Papa konnte sich wahrlich Schöneres vorstellen, als schon zu Beginn des Spaziergangs zum Reittier zu werden.

Da hatte Mama plötzlich eine Eingebung und zog eine "magische" Papierklammer, die sie zufällig in der Hosentasche hatte, hervor und zeigte das magische Artefakt der quengelnden Tochter. "Mit dieser magischen Klammer", so die Mama, "kann ich die Müdigkeit aus deinen Beinen und dem gesamten Körper ziehen." Mama hielt die Klammer an die Beine der Tochter und mit einem "wusch" zog sie ihr all die Müdigkeit aus den Beinen. Und siehe da: Die Magie zeigte Wirkung! Die Beine waren plötzlich nicht mehr schwer. Jetzt konnte sie wieder wie wild mit dem Roller fahren. Müdigkeit und Quengelei waren wie weggeblasen. Die fast Vierjährige war vielmehr so fasziniert von dieser Zauberklammer, dass sie sie den gesamten Spaziergang über in ihrer Jackentasche haben wollte.

Ein paar Tage später gab es wieder eine Situation, die vielen Eltern bekannt vorkommen dürfte: Die Kleine war müde und dementsprechend lustlos und hatte für ihre Umwelt nur Meckereien übrig. Also griff Mama wieder zur Zauberklammer und zog dieses Mal all die Mecker-Energie aus dem Körper. Unsere Tochter war davon so fasziniert und abgelenkt, dass sie vor lauter Staunen ganz vergaß, dass sie ja eigentlich am Meckern war ... (Bei kindlichen Wut- oder Meckeranfällen haben sich übrigens auch die Sonnenperlen bestens bewährt.)

Und erst kürzlich wiederholte sich das Szenario auf dem Spaziergang. Der Nachwuchs hatte partout keine Lust mehr, weiterzugehen. Also fragte Mama, ob sie die magische Klammer dabeihätte. Da diese aber wohl zu Hause geblieben war, nahm die findige Tochter von selbst (!) einfach eine Spange aus ihrem Haar, damit Mama ihr die Müdigkeit aus den Beinen ziehen konnte. Der "Trick" ist eigentlich ganz einfach: Die Aufmerksamkeit des Kindes weg vom Negativen, auf etwas Spannendes lenken – und dabei am besten die kindliche Begeisterung entfachen.

Ich möchte an dieser Stelle alle Kinder, Eltern und Erwachsene herzlich einladen, sich von der Magie der Papierklammer ebenfalls verzaubern zu lassen. Wobei sich Erwachsene wahrscheinlich nicht so leicht ablenken lassen, weshalb der nachfolgende Kniff wohl effektiver ist.

Halt, da gehen wir nicht hin!

Vermutlich wird der Trick mit der Klammer bei Erwachsenen nicht denselben Effekt haben wie bei Kleinkindern. Daher hier nun der versprochene zweite Kniff, der eigentlich mehr ein Mantra ist: "Stop! Da gehen wir nicht hin." Oder wie er im englischen Original lautet: "Stop it! We don't go there."

Dieses Zitat stammt eigentlich vom amerikanischen Komiker Bob Newhart. In einer seiner berühmtesten Comedy-Szenen spielt er einen Psychiater, der einer Patientin auf seine ganz eigene Art hilft:

Die Patientin kommt zu ihm, weil sie panische Angst davor hat, lebendig in einer Holzkiste begraben zu werden. Nachdem er ihr aufmerksam zugehört hat, erklärt er mit ernster Miene, dass er die perfekte Lösung für sie hat – und sie besteht aus nur zwei Worten: "STOP IT!"

Verwirrt versucht die Patientin, ihre Ängste weiter zu erklären, aber der Psychiater bleibt ungerührt. Ganz egal, welche Probleme sie anspricht – von ihrer Angst vor engen Räumen bis hin zu anderen Sorgen – seine Antwort bleibt immer gleich: "Hören Sie einfach auf damit!" An einer Stelle versucht die Patientin gar, tiefer in ihre Probleme einzutauchen – etwa, dass ihre Ängste mit ihrer Kindheit oder anderen psychologischen Faktoren zusammenhängen könnten. Der Psychiater unterbricht sie trocken und sagt so etwas wie: "Nein, da gehen wir nicht hin!" ("No, we don’t go there!")

Natürlich gibt es Traumata, Erlebnisse und Situationen die es unbedingt erfordern, sich professionelle Hilfe zu holen. Dagegen ist nichts einzuwenden und um diese geht es hier auch nicht. Viel zu oft lassen wir uns aber von unseren Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen ablenken und unsere Aufmerksamkeit auf Negatives lenken. Egal, ob das eine unangenehme Situation auf der Arbeit war, ein Streit mit dem Partner oder auch diffuse Ängste. Die Gedanken kreisen, die Emotionen wallen und manchmal suhlen wir uns richtig in dieser "Suppe". Dadurch geht es uns nicht nur schlecht, wir verschwenden auch unsere Zeit. Idealerweise lässt man es also gar nicht erst soweit kommen, sondern richtet sich vorher wieder aus, ohne sich ablenken zu lassen. Ein hilfreiches Bild kann sein, dass wir uns als Lenker oder Lenkerin eines Kriegswagens mit vier Pferden sehen. Wobei die vier Pferde für unseren Körper, unsere Gedanken, Gefühle und Erinnerungen stehen. Wir erreichen unser Ziel indes nur, wenn alle vier Pferde (möglichst im Gleichschritt) in dieselbe Richtung ziehen. Sobald auch nur ein Pferd versucht, sich selbstständig zu machen und ausbrechen will, gerät der gesamte Wagen aus der Spur und kippt womöglich. Sobald sich also unsere Gedanken, Gefühle oder Erinnerungen im übertragenen Sinne selbständig machen wollen, rufen wir sie besser zur Ordnung: "Halt, da gehen wir nicht hin!" Oft genug wiederholt, erinnert man sich automatisch an den Satz, wenn Gedanken, Emotionen oder Erinnerungen wieder einmal mit uns "Schlitten fahren wollen". Wodurch sich diese dann aber auch schnell wieder einreihen. Also probieren Sie es aus, wenn sich das nächste Mal komische Gedanken oder Gefühle einschleichen wollen.

Und falls Sie sich nun einmal selbst von den therapeutischen Fähigkeiten Bob Newharts überzeugen – und dabei herzhaft lachen – möchten, so finden Sie den erwähnten Sketch hier auf Youtube: Bob Newhart – STOP IT!

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