Cannabis: Der Wolf im Graspelz

Glaubt man den zahlreichen Berichten in den Medien, so ist die Kifferdroge Cannabis eigentlich ein Naturheilmittel, gar ein Wundermittel gegen zahlreiche Krankheiten. Entsprechend laut wird der Ruf nach einer Legalisierung. Allerdings schlägt Cannabis aufs Hirn. Dr. Kurosch Yazdi, führender Suchtmediziner, nennt die mediale Pauschalpropaganda daher verbrecherisch und warnt davor, Cannabis salonfähig zu machen.

Kiffen? Ist doch super! High sein, breit sein, „stoned“ sein. Kiffen entspannt, beruhigt und man sieht die Welt gleich mit ganz anderen Augen. Die Welt kann so herrlich sein mit ein paar Joints! All der Kummer des Alltags ist gleich vergessen. Das ist doch Medizin pur!

Wirklich? Zumindest ist das die Wahrnehmung manch eines Kiffers. Und wenn man die Berichte in den Zeitungen, im Fernsehen und im Internet anschaut, so kann einen leicht das Gefühl beschleichen, dass Cannabis genau das wundersame Naturheilmittel ist, das nach Jahrzehnten der Verteufelung endlich heiliggesprochen gehört. Entsprechend hat Cannabis auch in der Bevölkerung inzwischen einen so guten Ruf, dass sich konservative Politiker, ganz besonders in den USA, schon gar nicht mehr trauen, groß auf Cannabis zu schimpfen – aus Angst davor, potenzielle junge Wähler zu verscheuchen.

Laut Schätzungen haben in Europa Millionen junger Menschen Probleme wegen ihrer Cannabissucht.

Laut Schätzungen haben in Europa Millionen junger Menschen Probleme wegen ihrer Cannabissucht.

Die Folge solcher Propaganda ist, dass das Kiffen besonders jungen Menschen zunehmend als harmlos erscheint. Wenig überraschend hat die Zahl der Cannabiskonsumenten und damit auch jene der Cannabissüchtigen in den letzten Jahren stark zugenommen. Zwischen 2007 und 2013 stieg allein in Deutschland die Zahl der Patienten, denen in lokalen Einrichtungen der Drogenhilfe die Hauptdiagnose Cannabissucht gestellt wurde, um fast ein Drittel.

Die tägliche Praxis von Dr. Kurosch Yazdi bestätigt diese Entwicklung. Der Mediziner leitet am Kepler Universitätsklinikum im österreichischen Linz eine Krankenhausabteilung für Suchtkranke. Während er es bis vor fünf, sechs Jahren ausschließlich mit Kokain-, Crystal- oder Heroinkonsumenten zu tun hatte, betreut er mittlerweile immer mehr immer jüngere Cannabiskonsumenten. So viele, dass die Klinik im Jahr 2016 eine eigene Gruppentherapie nur für Cannabiskonsumenten einrichtete. Gleichzeitig stellt Yazdi einen auffälligen Anstieg an Psychosen bis hin zur Schizophrenie fest, eine mögliche Folge des Cannabiskonsums. Aus Yazdis Sicht ist die pauschale Verharmlosung der Droge Cannabis deshalb ein Verbrechen. Laut seiner Hochrechnungen haben heute allein in Deutschland 600'000 vorwiegend junge Menschen Probleme durch ihren Cannabiskonsum. „Müssten da nicht längst bei uns die Alarmglocken läuten? Wie können wir uns da noch erlauben, Cannabis zu verharmlosen, zu verniedlichen?“, schreibt Dr. Yazdi in seinem Buch „Die Cannabis-Lüge“.

Auch für die Drogenbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Marlene Mortler, ist der steigende Konsum besonders unter Jugendlichen ein Alarmsignal. „Die ständige Debatte um die Legalisierung führt in die falsche Richtung“, schrieb Mortler im Jahr 2015. Sie suggeriere gerade den Jüngeren, Cannabis sei eine ungefährliche Substanz. Das sei schlicht falsch. Nicht nur seien es die Cannabiskonsumenten, die am häufigsten Einrichtungen der Suchthilfe aufsuchen würden, sondern Cannabiskonsum sei bei den unter 25-Jährigen mittlerweile der Hauptgrund für ambulante und stationäre Behandlungen bei Drogenproblemen. „Cannabis bleibt damit weiterhin das wichtigste Thema in der Prävention illegaler Suchtstoffe“, so Mortler.

Cannabis: Viel potenter als früher

Dass die Probleme im Umgang mit dem Suchtstoff zugenommen haben, hat seinen Grund: Der Joint von heute ist grundlegend anders als der Joint, den sich seinerzeit die Hippies und Anhänger der Flower-Power-Bewegung reinzogen. In den 1960er- und 1970er-Jahren betrug die Konzentration des berauschenden THCs (Tetrahydrocannabinol) im Cannabis unter drei Prozent. Daraus sind heute bis zu 40 Prozent geworden!

Ursprünglich hatten Cannabispflanzen wenig THC, aber relativ viel Cannabidiol (CBD).1 Das Cannabidiol wirkt als Gegenspieler zum THC und kann Psychosen verhindern. Doch in den heute kultivierten Pflanzen, die unnatürlich viel THC produzieren, ist kaum mehr Cannabidiol enthalten. Dadurch wird man stärker berauscht, aber auch eher psychotisch. „Das moderne Marihuana hat nichts mehr von der einstigen natürlichen Balance. Mit dem gepriesenen Naturheilmittel, das schon in der chinesischen Medizin vor Jahrtausenden verwendet wurde, hat das neue Zeug nichts mehr zu tun“, schreibt Dr. Yazdi. „Vergleichen Sie das nur einmal mit Alkohol. Macht es nicht einen gehörigen Unterschied, ob ich einen Liter Bier (oder gar Most) trinke, mit einem Alkoholgehalt von drei bis fünf Prozent? Oder einen Liter Schnaps mit 38 bis 40 Prozent? Und welche Eltern mit nur einem Hauch von Verantwortungsbewusstsein würden sagen, es sei ihnen nicht wichtig, ob ihr 16-jähriges Kind eine Flasche Weizenbier oder eine Flasche Wodka zu sich nimmt? Ein fataler Irrtum, auch seitens der Erziehungsberechtigten, zu glauben, ein bisschen kiffen habe einem selbst ja früher auch nicht geschadet.“

Doch wie kommt es, dass der THC-Gehalt der Pflanzen so stark zugenommen hat? Nun, dies ist eine direkte Folge der Cannabis-Legalisierung, vor allem in den USA. Seit Inkrafttreten der ersten Gesetze zur Legalisierung von Cannabis stieg die maximale THC-Konzentration jedes Jahr um ein bis zwei Prozent. Dazu tragen insbesondere öffentliche Wettbewerbe für hochgezüchtetes Cannabis bei, und zwar in jenen Staaten, wo Cannabis komplett legalisiert wurde. So veranstaltet zum Beispiel die einschlägige Zeitschrift High Times jährlich einen entsprechenden Anlass für professionelle Marihuana-Züchter. Die teilnehmenden Firmen konkurrieren untereinander um den Stoff mit der höchsten THC-Konzentration und verdienen mit ihren ethisch fragwürdigen Produkten Millionen am legalen Cannabismarkt. Im Jahr 2011 konnte der Gewinner in seiner Cannabis-Züchtung einen THC-Gehalt von 25,49 Prozent vorweisen. 2014 waren es 27,46 Prozent, im Jahr 2016 bereits 32,13 Prozent und 2018 waren es 40,85 Prozent! Im Vergleich dazu lag der Cannabidiol-Gehalt lediglich bei 0,53 Prozent. Vorderhand ist hier noch kein Ende in Sicht.

In Europa hinkt die Entwicklung noch etwas hinterher, doch auch hier ist der THC-Gehalt von vormals unter drei Prozent bereits auf etwa 20 Prozent angestiegen. Um der Verharmlosung entgegenzuwirken, fordert Dr. Yazdi deshalb eine Einführung neuer Bezeichnungen für diese modernen Cannabiszüchtungen, die in den USA etwa „Industrial Marijuana“ oder „Turbo Pot“ heißen.

Kiffen? – Tschüss, Hirn!

Die biologischen Langzeitfolgen von Cannabis auf den menschlichen Organismus geprieseuntersuchen Wissenschaftler bereits seit den 1970er-Jahren. Etliche Studien belegen, dass sich ein langjähriger, regelmäßiger Konsum massiv in der Leistungsfähigkeit der betreffenden Person niederschlägt und Cannabis zu starken Beeinträchtigungen im Gehirn führt. In der Folge kommt es zu Gedächtnis-Aussetzern, schweren Konzentrationsstörungen, Problemen beim Lernen. Dabei gilt: Je früher im Leben mit dem Konsum begonnen wird, desto heftiger und schwerwiegender die Auswirkungen.

Quellenangaben

  • 1 Mehr zu Inhaltsstoffen und Begrifflichkeiten im Kasten „Cannabis – Orientierung im Hanf-Dschungel“. [in der Druckausgabe verfügbar]