Hätten die Alchemisten von einst, als sie nach dem Stein der Weisen, der ewiges Leben verleihen sollte, suchten, doch nur bei den Menschen in den sogenannten Blauen Zonen nachgefragt, die hundert oder mehr Jahre alt werden. Diese hätten ihnen zweifellos den einen oder anderen Tipp geben können, wie man dem Tod noch eine ganze Weile ein Schnippchen schlägt!
Gesund alt werden, wer möchte das nicht? Das sei völlig natürlich, denn die Leute wollen lange leben, so George Chrousos, Professor für Medizin an der Universität Athen: „Das Leben ist ein Geschenk. Die Menschen möchten es genießen.“ Doch wie stellt man das an? Gibt es so etwas wie eine Anleitung, damit es klappt mit der Party zum hundertsten Geburtstag?
Natürlich wollte das auch die Wissenschaft herausfinden. Also machten sich die Forscher rund um den Globus auf die Suche nach Menschen, die hundert oder mehr Jahre alt waren. Dabei stießen sie auf fünf Weltgegenden, wo jeweils auffallend viele Hundertjährige leben. Und diese Menschen sind nicht nur sehr alt, sondern auch bedeutend gesünder als die Senioren anderswo; Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, entzündliche Erkrankungen, Demenz oder Depressionen sind praktisch unbekannt. Die Forscher nannten diese Orte die Blauen Zonen respektive Blue Zones.1 Diese befinden sich auf der Halbinsel Okinawa in Japan, Ikaria in Griechenland, der italienischen Insel Sardinien, Nicoya auf Costa Rica und in Loma Linda, Kalifornien. Zwar liegen diese Orte alle ungefähr zwischen dem zehnten und dem vierzigsten Breitengrad und vermutlich ist es in diesen milden Klimazonen tatsächlich ein wenig einfacher, ein langes Leben zu leben, als am Nordkap oder an der Spitze von Feuerland. Dennoch ist nicht das Klima der bestimmende Faktor für die „Häufung“ von Hundertjährigen in den Blauen Zonen. Es sind neun andere Dinge, welche all diese Menschen gemeinsam haben:
„Ich habe gerne etwas zu tun“, sagt Katina Parikos aus Ikaria. „Was soll ich denn tun? Mit verschränkten Armen herumsitzen? Ich gehe in den Garten, schaue den Pflanzen beim Wachsen zu und bewundere sie, dann gehe ich weiter zu den Hühnern und den Ziegen. Vom Herumsitzen bekomme ich Kopfschmerzen.“ Viele Menschen in den Blauen Zonen besitzen einen Garten so wie Katina Parikos. Gärtnern ist gesund, es reduziert Stress, sorgt für Kalorienverbrauch und belohnt uns mit frischem Grünzeug. Kaum einer der Hundertjährigen hat in seinem Leben je Krafttraining gemacht oder ist gejoggt. Aber ihr Leben ist nicht bequem. Sie steigen Treppen, machen Einkäufe und Besorgungen zu Fuß, erledigen die Arbeit in Haus und Garten ohne eine Armada von elektrischen Helfern wie Laubbläser oder Brotschneidemaschine.
Wenn dein Körper und dein Geist beschäftigt bleiben, wirst du ziemlich lange hier sein.“
Walter Breuning (1896 – 2011)
In Japan werden viele Dinge traditionellerweise in der Hocke oder auf den Knien verrichtet oder man sitzt auf dem Boden. Selbst Senioren müssen so täglich mehrmals auf die Knie und dann wieder aufstehen. Eine eigentlich einfache Sache, die vielen älteren Menschen im Westen aber große Mühe bereitet. Schon kleine Tricks können helfen, mehr Bewegung in den Alltag zu bringen: Das Garagentor von Hand öffnen statt mit der Fernbedienung; öfter mal auf einem Kissen auf dem Boden sitzen statt auf einem Stuhl oder dem Sofa; Pflanzen im und ums Haus haben, die man regelmäßig gießen muss; die TV-Fernbedienung neben den Fernseher legen anstatt neben sich aufs Sofa, damit man zum Wechseln des Senders aufstehen muss, oder man trimmt den Rasen mit einem Handrasenmäher statt mit einem elektrischen Mäher oder gar einem Sitzmäher oder Rasenroboter.
Stress ist eine Ursache für chronische Entzündungen, welche wiederum mit sämtlichen hauptsächlichen Alterskrankheiten einhergehen. Wem es gelingt, jeden Tag allein schon für fünfzehn Minuten seinen Stresslevel herunterzufahren, kann diese Entzündungsprozesse in einen entzündungshemmenden Zustand umkehren. Wege zur Stressminderung gibt es so viele wie Lebensweisen. Während mediterrane Völker wie die Sarden oder Griechen auf ein Mittagsschläfchen schwören, wird in traditionellen japanischen Haushalten täglich gebetet und Zwiesprache mit den Ahnen gehalten. Die Siebenten-Tags-Adventisten, deren Gemeinschaft viele der Hundertjährigen in Loma Linda angehören, nehmen sich sogar jede Woche eine vierundzwanzigstündige „sanctuary time“, also eine Zeit des Rückzugs oder, so könnte man auch sagen, eine Zeit, um „heil(ig)“ zu sein. Grundsätzlich eignet sich jede Form der Meditation oder des Gebets dafür, dem Stress-Hamsterrad für eine Weile zu entkommen.
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