"Kulturfleisch" aus dem Bioreaktor? – Prost Mahlzeit!

Es klingt verlockend: Fleisch essen ganz ohne Tierleid. Ein genauerer Blick schlägt jedoch schnell auf den Magen. Denn um Kultur geht es nicht, wohl aber um Krieg und Kontrolle.

Lecker, umwelt- und tierfreundlich? In Zukunft soll das Fleisch aus dem Labor kommen.

Was steht heute bei Ihnen auf dem Speiseplan? Vielleicht haben ja auch Sie dem Klima oder der Gesundheit zuliebe die Curry- durch eine Sojawurst und das gebratene Hähnchen durch ein Planted Chicken ersetzt? (Eigentlich „angepflanztes Huhn“, aber gemeint ist natürlich ein pflanzliches Huhn-Ersatzprodukt.) Nicht dass wir Ihnen den Appetit verderben möchten, doch um es gleich auszusprechen: Die allermeisten dieser Produkte sind weder Ihrer Gesundheit noch dem Klima förderlich.

„An diesem pflanzenbasierten Modell ist nichts nachhaltig“, sagt die Professorin Amy Trauger von der University of Georgia. „In Wahrheit ist es bloß eine Menge Greenwashing. Die Unternehmen werben gerne damit, dass diese Art zu essen die Welt verändern wird, doch das ist nicht der Fall.“ Sie erwähnt beispielsweise Soja, das bei vielen pflanzlichen Fleischalternativen als Grundlage dient. Größter Sojaproduzent der Welt ist Brasilien. Damit westliche Industrienationen ihr Klimagewissen mit einem Soja- statt Schweinsragout beruhigen können, wird in Brasilien massenhaft Regenwald abgeholzt. Die Sojaplantagen, die dort entstehen, schlucken zudem eine Unmenge Wasser. Für ein einziges Kilogramm Soja werden bis zu 1'200 Liter Wasser benötigt. Für Palmöl, das ebenfalls in vielen veganen Produkten enthalten ist und oft aus Ländern wie Indonesien, Malaysia, Thailand oder Nigeria stammt, sieht die Klimabilanz nicht besser aus. Es ist offensichtlich, dass man nicht von einem klimafreundlichen Produkt sprechen kann, wenn dafür die „grüne Lunge“ unseres Planeten abgeholzt und wertvolles Wasser verschwendet wird. Dabei sind weitere Probleme wie lange Transportwege oder Menschenrechtsverletzungen besonders gegenüber der indigenen Bevölkerung noch nicht einmal einkalkuliert.

Und mit dem gesundheitlichen Nutzen ist es leider auch nicht weit her, ganz im Gegenteil. Hauptinhaltsstoffe wie Erbsenprotein oder Weizengluten stellen für viele Menschen ein Allergierisiko dar. Damit die Pseudofleischpampe überhaupt nach etwas schmeckt, braucht es pflanzliche Öle wie Soja- oder Rapsöl, denn ohne Fett kein Geschmack. Nicht nur werden viele dieser Industrieöle heute mit Gentechsaaten hergestellt, sondern sie sind auch eine wahre Omega-6-Bombe. Wie wir kürzlich in einem Artikel1 detailliert aufgezeigt haben, ist ein Zuviel an Omega-6 (Stichwort „Linolsäure“) für unseren Körper desaströs, fördert es doch chronische Entzündungen, Degenerationskrankheiten, Fettleibigkeit und Demenz.

Zucker rangiert in der meist langen Zutatenliste häufig weit oben. Auch Methylcellulose, ein synthetischer Füllstoff aus Cellulose, den man etwa in Tapetenkleister verwendet, wird oft beigemischt. Wer die Inhaltsangaben durchliest, erkennt schnell, dass es sich bei den pflanzlichen Fleischersatzprodukten um „Nahrungsmittel“ handelt, die sich weit weg von einer natürlichen und gesunden Ernährung bewegen. Es ist hochverarbeiteter industrieller Junkfood, dessen regelmäßiger Verzehr mit Gesundheitsproblemen wie Übergewicht, Kreislauferkrankungen, Typ-2-Diabetes, dem metabolischen Syndrom, Reizdarmsyndrom, Krebs, Depression und so weiter in Verbindung gebracht wird. (Lesen Sie mehr über die gesundheitlichen Gefahren von hochverarbeiteten Lebensmitteln auf Seite 32 in der ZeitenSchrift-Druckausgabe Nr. 118.)

Kunstfleisch statt Kühe

Da ist doch die Botschaft von Uma Valeti, Gründer und CEO von Upside Foods, höchst willkommen. Upside Foods stellt das her, was In-vitro-Fleisch, Kulturfleisch, kultiviertes Fleisch, zellkultiviertes Fleisch oder auch schlachtfreies Fleisch genannt wird, und Valeti sagt: „Kulturfleisch ist echtes Fleisch, das direkt aus tierischen Zellen gezüchtet wird. Diese Produkte sind nicht vegan, vegetarisch oder pflanzlich, sie sind echtes Fleisch, das ohne das Tier hergestellt wird.“ Der „Fleischeslust“ frönen zu dürfen, ohne dass dabei ein Tier getötet werden muss? Her damit! Und damit nicht genug. Kulturfleisch soll nämlich auch noch das Potenzial haben, das bedrohte Klima zu retten. Denn all die methangasausstoßenden Rinder braucht es ja dann nicht mehr und die vielen Hektar Land, die für den Anbau von Tierfutter verwendet werden oder auf denen die Tiere den lieben langen Tag herumstehen und nichts anderes tun, als zu fressen – die würden dann ganz dem Menschen zur Verfügung stehen. (Alternativ könnte man darauf auch Windräder oder Solarpanels aufstellen …)

Am Scheideweg: Noch können wir entscheiden, welche Form von Landwirtschaft wir künftig wollen – naturnah und von Familien bewirtschaftet oder industriell von Konzernen kontrolliert.

Sehen wir uns also genauer an, wie man es bewerkstelligt, echtes Fleisch ohne Tier auf den Teller zu bekommen. Der Prozess sei ungefähr so wie das Bierbrauen, erklärt Valeti. Statt Hefe oder Mikroben würden einfach tierische Zellen gezüchtet: „Im Wesentlichen können wir die Bedingungen nachbilden, die natürlicherweise im Körper eines Tieres herrschen.“ Nicht ganz zufällig wird aber für das schlachtfreie Fleisch eine andere Bezeichnung sehr viel öfter verwendet: Laborfleisch. Denn damit die „Fleischzucht“ überhaupt gelingt, braucht es eine ausgeklügelte Maschinerie und Laborbedingungen, sonst kommt es ganz schnell zum Desaster. Abgeschaut ist die Technik übrigens einem biotechnologischen Verfahren, mittels welchem Gewebe für Brandopfer gezüchtet wird.

Um künstliches Fleisch wachsen zu lassen, braucht es zunächst einmal eine tierische Zelle, die einem lebenden Tier oder tierischen Embryo mittels einer (meist schmerzhaften) Biopsie entnommen wird. Erfolgt die Entnahme bei einem Embryo, stirbt dieser in der Regel. Eine solche Primärzelle wird sich aber nicht endlos vermehren. Irgendwann vergreist und stirbt die Zelle – ein natürlicher Prozess, werden doch sämtliche Zellen im Körper innerhalb von rund sieben Jahren mindestens einmal erneuert. Will man also künstliches Fleisch in großen Mengen herstellen (mindestens achtzig Prozent des weltweiten Fleischbedarfs sollen einst mit Laborfleisch gedeckt werden), sind immer wieder Zellentnahmen beim lebenden Tier notwendig. Um dies zu vermeiden, versucht die Industrie, die Zellen zu „immortalisieren“, also unsterblich zu machen. Das gelingt nicht mit allen Zellen gleich gut. Myoblasten (Vorläuferzellen von Skelettmuskelfasern bei Embryonen) sind nur schwer unsterblich zu machen. Fibroblasten (Bindegewebszellen) lassen sich das eher gefallen, doch ihre Rolle im Körper besteht eigentlich darin, Bindegewebe, Knorpel oder Kollagen zu bilden – nicht unbedingt das, was man in einem saftigen Steak vorfinden möchte.

Die entnommenen Zellen werden dann in ein Wachstumsmedium gegeben. Im menschlichen oder tierischen Körper bildet das Blut diesen Nährboden. Im Labor versucht man diese hochkomplexe Substanz zu replizieren, indem man fötales Rinderserum verwendet. Dabei handelt es sich um Blut, das während der Schlachtung des Muttertiers lebenden Kalbsföten entnommen wird. Von „Clean meat“ (sauberem Fleisch) ohne Tierleid kann also keine Rede sein. Weil dieses Rinderserum überdies kostspielig ist, versuchen die Laborfleisch-Hersteller, künstliches Blut zu erzeugen. Das geschieht mittels gentechnisch veränderter Mikroben in Kombination mit künstlichen Wachstumshormonen. Zusätzlich müssen diesem Medium Mikronährstoffe und Mineralien zugegeben werden, alles in allem ebenfalls eine äußerst teure Angelegenheit. Ein Kilo auf solche Weise produziertes Laborfleisch könnte daher bis zu 20'000 Dollar kosten!

Entsprechend löste eine im Januar 2024 erschienene Studie der Tufts University in der Branche helle Freude aus, da es nun gelungen sei, durch selbst wachsende Muskelzellen die Herstellung von Laborfleisch drastisch zu verbilligen. Rund neunzig Prozent der Kosten entstehen offenbar durch die Wachstumsfaktoren, die für das Zellwachstum und die Zelldifferenzierung nötig sind und häufig nachgefüllt werden müssen. Nun haben die Forscher Stammzellen genetisch so verändert, dass sie eigene Wachstumsfaktoren produzieren. Dieser sogenannte Fibroblasten-Wachstumsfaktor sei „nicht wirklich ein Nährstoff. Es ist eher eine Anweisung an die Zellen, sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten“. Was die Forscher auch begeistert: Auf diese Weise könnte man sogar Fleischsorten von exotischen oder ausgestorbenen Tieren produzieren, also zum Beispiel Säbelzahntiger-Hack oder Mammutsteak. Weil gentechnisch manipuliertes Fleisch für viele Menschen dann doch nicht so toll klingt, spricht man bei solchen Manipulationsprozessen aber lieber von „Präzisionsfermentation“ … und fermentierte Lebensmittel sind ja bekanntlich sehr gesund!