Die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines war der größte Akt von Wirtschaftssabotage in der Geschichte. Und eine verdeckte Drohung gegenüber Russland. Allem Anschein nach überbracht durch eine Kernwaffe.
Als am 26. September 2022 auf dem Grund der Ostsee drei von vier Nord-Stream-Röhren gesprengt wurden, zeichneten Seismografen die Erschütterungen sogar am zweieinhalbtausend Kilometer entfernten Nordkap auf. Doch nirgends bebte die Erde so stark wie in Kaliningrad. In jener Nacht muss den dort Verantwortlichen nach der ersten Explosion ein gewaltiger Schreck in die Glieder gefahren sein. Und das, obwohl Kaliningrad 500 Kilometer vom Detonationsort entfernt liegt; wie sich herausstellen sollte, waren die Erschütterungen zehnmal stärker als auf der nur 70 Kilometer entfernten dänischen Insel Bornholm. Wie ist das möglich, wenn Erdbebenwellen doch mit der Distanz abnehmen?
Werden die gemessenen seismischen Amplituden und durchs Wasser laufenden Druckwellen mithilfe von Technik in entsprechende akustische Signale umgewandelt, so löste die Explosion im nahen Bornholm ein Geräusch wie ein ferner Donnerknall aus. Das ist zu erwarten. Nicht aber was im fernen Kaliningrad geschah: Dort hörte es sich an, als würde ein Kampfjet mit ohrenbetäubendem Krach durch ein enges Alpental fliegen.
Dabei habe er die Lautstärke des Kaliningrad-Sounds im Vergleich zu den Bornholm-Signalen bereits massiv reduziert, erklärt Dr. Hans-Benjamin Braun während eines Vortrags. Der Basler Wissenschaftler ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der Physik und kennt sich mit der statistischen Auswertung von Messdaten ebenso gut aus wie mit physikalischen Phänomenen. Deshalb hat er sich von den offiziellen Mutmaßungen zur Nord-Stream-Explosion auch nicht hinters Licht führen lassen. Vielmehr sammelte und analysierte er alle öffentlich zugänglichen Messdaten. Er wollte selbst herausfinden, was sich in jener Nacht tatsächlich am Grund der Ostsee abgespielt hatte.
Seine Erkenntnisse fasste Braun in einem schriftlichen Dokument zusammen, das er weltweit an Persönlichkeiten mit politischer Verantwortung schickte (siehe Kasten). Und selbstverständlich spricht der Schweizer Forscher auch öffentlich über seine Erkenntnisse.1
Ein Blick auf die Unterwasser-Topografie der Ostsee löst das Rätsel, warum es in Kaliningrad viel stärker geknallt hat als irgendwo sonst im Baltischen Meer. Die Nord-Stream-Pipelines wurden nämlich nicht an einer beliebigen Stelle zerstört, sondern man hat den Ort für die Sabotage ganz bewusst gewählt: am Beginn eines Unterwassercanyons namens „Stolpe Rinne“, der wie ein Megafon direkt auf die Steilküste vor Kaliningrad gerichtet ist. Dadurch haben sich die Schockwellen der Explosion ungehindert in Richtung Kaliningrad ausbreiten können und wurden durch die Reflexionen an den Wänden des Meeresgrabens noch zusätzlich verstärkt – ein Trichtereffekt, der dem Kreml eine unüberhörbare Nachricht zuschrie.
Kaliningrad (vormals das ostpreußische Königsberg) ist eine russische Exklave zwischen Polen und Litauen und mit seiner halben Million Einwohner nicht nur ein wichtiges kulturelles und wirtschaftliches Zentrum, sondern eben auch ein großer Militärstützpunkt von Russland an der Ostsee. Dieser war direkt bedroht worden, ohne dass die Weltöffentlichkeit davon Kenntnis nahm.
Der von CIA-Leuten ausgeheckte Plan (wir kommen noch darauf zu sprechen) war ebenso genial wie teuflisch: Er setzte die Zündung einer Thermonuklearwaffe unter den Fluten der Ostsee voraus.
Präsident Putin scheint die Botschaft verstanden zu haben, denn plötzlich begann der Kremlchef mehr oder weniger unverhohlen anzudeuten, dass für Russlands Verteidigung jede Option auf dem Tisch liege, also auch der Einsatz von Atomwaffen. Die Meinungsmacher im Westen nahmen das sofort als Beweis, dass Putin wahnsinnig geworden sei, denn seit Jahrzehnten habe kein Weltführer mehr mit einem Atomkrieg gedroht (außer natürlich der Wahnsinnige in Nordkorea). Davon unbeeindruckt ließ Putin am 26. Oktober 2022, exakt einen Monat nach der Nord-Stream-Sabotage, seit Langem wieder eine Interkontinentalrakete testen und unterstrich damit Russlands Möglichkeit, die USA jederzeit vernichtend treffen zu können. Wiederum exakt ein halbes Jahr nach der Sabotage meldeten westliche Medien am 26. März 2023, Putin lasse taktische Nuklearraketen nach Belarus (Weißrussland) verlegen und bedrohe damit Europa.
Diese zeitliche Übereinstimmung dürfte wohl Putins Antwort auf Präsident Bidens Botschaft gewesen sein, welche der Anschlag auf Nord Stream zuvor überbracht hatte. Schließlich darf der Einsatz einer amerikanischen Nuklearwaffe allein vom US-Präsidenten autorisiert werden. Und dass Nord Stream von einer Atombombe zerstört wurde, lässt sich nach den Erkenntnissen von Hans-Benjamin Braun eigentlich nicht mehr bezweifeln. Er habe insgesamt dreißig Hinweise oder Belege für die Explosion einer Thermonuklearwaffe gesammelt, betont der Physiker. Auf die zehn wichtigsten gehen wir nachfolgend ein.
Klar: Die Unterwasser-Gasleitungen hätten problemlos durch einen konventionellen Sprengstoff mit einer Explosionskraft von wenigen Hundert Kilo TNT zerstört werden können, wie es die offizielle These behauptet (deutsche Behörden gehen von einer Sprengkraft von maximal 500 Kilo TNT aus) – eine Atombombe hätte es dazu nun wirklich nicht gebraucht. Sie war aber als Drohgebärde nötig, die nur von Insidern verstanden werden kann. Dummerweise auch von Insidern wie Hans-Benjamin Braun, der während seiner beruflichen Karriere auch jahrelang als leitender Wissenschaftler am Paul-Scherrer-Institut (PSI) tätig war – einer staatlichen Forschungseinrichtung, die als inoffizielle Schweizer Atombehörde gilt.
Der wichtigste unwiderlegbare Beweis, dass Nord Stream nicht mit konventionellem Sprengstoff zerstört wurde, sind die aufgezeichneten seismischen Daten. Hier habe man absichtlich fehlinterpretiert und vieles im Unklaren gelassen, so Braun. Trotzdem zeige sich, dass die Sprengkraft bis zu tausendmal stärker gewesen sein müsse als offiziell behauptet. „Die ersten veröffentlichten Zahlen kamen vom norwegischen Erdbebeninstitut NORSAR und enthielten keinerlei Einheiten, sagten also nichts über die tatsächliche Stärke der Explosion aus“, erzählt der Physiker und weist darauf hin, dass diese Forschungsstelle ein Gemeinschaftsprojekt des norwegischen Staats mit dem Los Alamos National Lab ist, wo die amerikanische Atombombe entwickelt wurde und man bis heute an Kernwaffen forscht.
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