Wann kommet ihr, Kinderlein?

War früher Verhütung das große Kunststück, ist es heute oft das Kinderkriegen. Das mag auch mit dem höheren Alter zu tun haben, in dem man sich fürs Kind entscheidet. Umweltgifte, Stress, Alkohol, Rauchen, Drogen, Anabolika und Elektrosmog sind weitere Faktoren, die die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Doch künstliche Befruchtung ist nicht der einzige Ausweg. Manchmal genügen ganz sanfte Methoden, um körperliche Blockaden und unerkannte Traumata aufzulösen – und schon schlägt es ein!

Eines gleich vorneweg: Nicht jede Person, jedem Paar ist es beschieden, in diesem Leben Kinder zu haben. Was auch immer die Gründe dafür sein mögen – es ist wichtig zu wissen, dass es einen Plan gibt für jedes Erdenleben, dem wir vor unserer Verkörperung zugestimmt haben. Und dieser Plan enthält auch vorgesehene Kinder – oder eben keine Kinder, wenn wir in diesem Leben andere Dinge lernen möchten. Es ist auch nicht der Plan eines jeden Menschen zu heiraten, weshalb wir niemals urteilend auf jene blicken sollten, die anders leben als die große Mehrheit.

Ein Kind will und soll Mittelpunkt in der Familie sein – nicht immer, aber so häufig, dass es sich aufgehoben fühlen kann.

Ein Kind will und soll Mittelpunkt in der Familie sein – nicht immer, aber so häufig, dass es sich aufgehoben fühlen kann.

Sollten Sie Schwierigkeiten haben, ein Kind zu bekommen, horchen Sie erst einmal tief und entspannt in sich hinein: Will ich überhaupt Kinder? Passen sie zu dem Leben, das ich führe und/oder in Zukunft zu führen gedenke? Lasse ich mich einfach von meiner Umgebung unter Druck setzen, weil alle um mich herum nun Kinder bekommen oder der Mann es fordert – obwohl ich gar nicht den inneren Wunsch oder Auftrag spüre, ebenfalls schwanger zu werden? Möchte ich nur ein Kind, um eine brüchig gewordene Beziehung zu kitten oder den etwas schal gewordenen Alltag aufzufrischen? Wäre das dem Kind gegenüber gerecht? Oder würde es nur ein Scherbengericht bedeuten, mit zerbrochener Beziehung, Kind in der Krippe, Mutter als ewig gestresste Alleinerziehende, erschöpft zwischen Karriere und Küche rudernd? Möchte ich am Ende so ein Leben haben?

Bin ich, wenn ich eine Familie gründe, bereit, meine Ehe auch in schlechten Zeiten weiterzuführen? Ist sie gut genug, dass mir das gelingen wird? Eine Scheidung bedeutet immer den Zusammenbruch der kindlichen Welt, und alleinerziehende Mütter sind gleichzeitig die materiell ärmsten wie auch die erschöpftesten Mitglieder unserer Gesellschaft. Auf zehn, fünfzehn Jahre hinaus gilt es für sie dann, Vater und Mutter gleichzeitig zu sein, daneben noch dazuzuverdienen, und sämtliche eigenen Bedürfnisse vollkommen zu vergessen, weil weder Zeit, Geld noch Energie dafür übrig bleiben. Mag sein, dass es für einige privilegierte Frauen weniger dramatisch aussieht, weil sie gut verdienen und sich ein Kindermädchen leisten können oder die Hilfe von Großmüttern oder Freundinnen in Anspruch nehmen können.

Kinder zu haben ist eine Aufgabe, die Erfüllung bringen mag, die man sich jedoch nicht zum Zweck der Erfüllung suchen sollte. Denn Kinder zu haben bedeutet, permanent zu geben, zu lieben, anzuleiten, zu korrigieren, auch streng zu sein, wenn es nötig ist, zu begleiten und zu kontrollieren (Schulaufgaben, Computer!) und vor allem: ein Vorbild zu sein. Macht man das alles gut, kommt viel zurück und man hat wohlerzogene Kinder, die oft eine Freude sein können – und einem auch nicht selten den letzten Nerv ausreißen. Kinder zu haben bedeutet: Ausschlafen ist für die nächsten fünfzehn Jahre gestrichen, Ausgehen schwierig, und eheliches Beisammensein richtet sich danach, ob man noch Kräfte hat und die Kinder einem gerade den Freiraum lassen. Es bedeutet viel Verzicht im materiellen Sinn – Wochenendausflüge, Shoppingtouren fürs ‚kleine Glück zwischendurch‘, mal kurz abends essen gehen – alles vorbei für mindestens eineinhalb Jahrzehnte oder nur möglich mit viel Vorausplanung und genügend Geld. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich habe selbst zwei Jungs großgezogen bei gleichzeitiger Arbeit an der ZeitenSchrift und würde es wieder tun, obwohl es auch mich öfter über meine Grenzen hinaus gebracht hat. Doch gerade in unserer ziemlich konsumversessenen, ober- flächlichen Zeit, wo auch Beziehungen oft nur als Lebensabschnittspartnerschaften eingegangen werden, ist es wichtig, sich solche Dinge vor Augen zu führen und sich zu fragen, ob der richtige Partner, die richtige Zeit und die Aufopferungsbereitschaft da sind, um das große Abenteuer ‚Familie‘ zu wagen.

Künstliche Befruchtung: Eine Achterbahnfahrt

Wenn Sie trotz all dieser Einwände spüren, dass Mutter-/Vaterschaft ein Teil ihres Lebens sein soll, sich jedoch einfach kein Kind einstellen will, dann halten Sie nach Hilfen Ausschau. Manche Paare entscheiden sich für eine Kinderwunschklinik, und in vielen Fällen ist keine künstliche Befruchtung notwendig, weil hormonelle Behandlungen und Inseminationen ausreichen, um eine Schwangerschaft einzuleiten. Genügt dies nicht, gibt es noch den Weg der künstlichen Befruchtung. Die Medien sprechen von einem „rasanten“ Anstieg der Paare, die ihre letzte Zuflucht bei dieser Methode suchen. So versuchten 2015 in Deutschland 65'000 Paare1 , per künstlicher Befruchtung ein Kind zu bekommen; gut 20'000 Kinder kamen auf die Welt – es klappte also bei etwa einem Drittel. Allerdings sinken die Chancen auf ein Kind mit zunehmendem Alter rapide: Bei einer 35-jährigen Frau liegen sie noch bei 27 Prozent pro Behandlung, bei einer 40-Jährigen noch bei 15 und bei einer 44-jährigen Frau nur gerade noch bei gut 3 Prozent. Die Chancen steigen, wenn zwei oder gar drei Embryonen in die Gebärmutter übertragen werden. Zugleich erhöht sich aber das Risiko einer Mehrlingsschwangerschaft, die häufig Komplikationen mit sich bringt. Zudem bedeutet jede Hormonbehandlung große Strapazen für die Frau. In Österreich gab es 2015 10'100 IVF-Versuche. 2016 kamen 2'410 Kinder aus In-vitro-Fertilisation zur Welt. In der Schweiz hegt jedes sechste Paar einen Kinderwunsch, der sich nicht von selbst erfüllt, worauf sich über 6000 Frauen jährlich bei der Fortpflanzung helfen lassen; was zu etwa 2'000 Geburten führt.

Zur Erinnerung: Bei der In-vitro-Fertilisation wird zuerst untersucht, ob die Spermien des Mannes überhaupt zeugungsfähig sind. Bei positivem Ergebnis begibt er sich in die Klinik und stimuliert sich mit Pornofilmen zu einem Samenerguss. Bei der Frau entnimmt der Arzt durch eine Punktion der Eibläschen fünf bis 15 befruchtungsfähige Eizellen, die in eine Nährflüssigkeit gelegt werden. Dieser ultraschallüberwachte Eingriff dauert in der Regel 10 bis 15 Minuten und geschieht meistens während einer kurzen Vollnarkose. Das durch Masturbation gewonnene Sperma des Mannes wird dann gezielt aufbereitet (gewaschen und konzentriert) und in einem Glasschälchen mit den Eizellen zusammengebracht. Dort verschmelzen Eizelle und Spermium. Bis zu drei gesunde Vorkerne, also befruchtete Eizellen, die sich noch nicht geteilt haben, dürfen laut Deutschem Embryonenschutzgesetz weiterreifen. Nach etwa 48 Stunden sind aus den Vorkernen achtzellige Embryonen entstanden. Der Arzt entscheidet gemeinsam mit der Patientin, wie viele Embryonen über einen dünnen Schlauch in die Gebärmutter eingesetzt werden.

Im besten Fall wird die Frau dann nach neun Monaten ein gesundes Baby zur Welt bringen. Doch erinnern wir uns: Bei Frauen um 35 klappt das in dreiviertel der Fälle nicht auf Anhieb, bei 40-Jährigen mit 85-prozentiger Wahrscheinlichkeit und bei 44-Jährigen wird es gar mit 97-prozentiger Garantie nicht klappen. Worauf meistens eine Zeit beginnt, die man mindestens als Achterbahnfahrt, wenn nicht gar als Leidensweg bezeichnen kann, in deren Verlauf sich die Paare nicht selten trennen. Eine junge Schweizerin,2 die schon im Alter von 27 Jahren mit der In-vitro- Fertilisation begann, musste fünfeinhalb Jahre warten, bis es endlich klappte. Dabei kam viel „Papierkram“ zusammen, unter anderem auch Mikroskopaufnahmen von grauen Strukturen, kleinen Kreisen, Zellhaufen: All die Embryonen, die es nicht geschafft hatten. Zwei Mal wechselte das Paar die Kinderwunschpraxis und reiste auch ins Ausland, um ein in der Schweiz nicht zugelassenes Verfahren auszuprobieren. Am Ende klappte es dann doch in der Schweiz. Die Kosten von insgesamt 60'000 Franken mussten sie selbst bezahlen, da die Schweizer Krankenkassen künstliche Befruchtungen nicht übernehmen. In Deutschland und Österreich werden sie teilweise von den Kassen bezahlt.

Quellenangaben

  • 1 Das berichtete das Deutsche IVF-Register auf dem Kongress des Dachverbands Reproduktionsbiologie und -medizin (DVR) in München.
  • 2 Aus: Migros Magazin, 24. März 2014