CO2: Das kostbare Atmungsgas

Was es in der Atmosphäre angeblich zu viel gibt, haben viele Menschen zu wenig: Kohlendioxid ist für unseren Körper eminent wichtig. Atmen wir falsch, leiden wir unter massivem CO2-Mangel. Die Folgen können manchmal verheerend sein.

Leiden Sie häufig unter Kopfschmerzen? Bauchbeschwerden wie Reizdarm oder Blähungen? Wiederkehrende Übelkeit bis zum Erbrechen? Schmerzende und schwächelnde Muskeln? Plötzliches Zittern, flatternde Nerven und unkontrolliertes Muskelzucken bis hin zu Krämpfen (Tetanie)? Kribbeln in Händen und Lippen oder gar vorübergehende Taubheitsgefühle in den Gliedern? Etwas so harmloses wie unerklärliche Schluckbeschwerden? Machen Sie sich manchmal Sorgen wegen einem zu hohen Puls, häufigem Herzklopfen und womöglich sogar Angina Pectoris? Doch vor allem: Fühlen Sie sich oft abgeschlagen müde ohne ersichtlichen Grund?

Und als ob das nicht schon reichen würde: Hat Ihr Oberstübchen auch schon bessere Tage gesehen, weil es sich häufig anfühlt wie ein „Wattekopf“? Dann kennen Sie sicher Brain Fog – wenn das Gehirn so umnebelt ist, dass das Denken zähflüssig wie Pech wird und die Gedanken sich nur schwer einfangen lassen. Lässt Sie das Gedächtnis vermehrt im Stich, können Sie sich schlecht konzentrieren oder haben Sie Mühe, Neues zu lernen (und zu memorisieren)? Ursache für solche mentalen Schwächen ist häufig ein reduzierter Blutfluss ins Gehirn. Das kann auch Schwindel und im Extremfall Halluzinationen oder eine Ohnmacht auslösen. Letztlich verdunkelt sich mit der Zeit sogar das Gemüt und macht uns manchmal depressiv oder weit häufiger zu unangenehmen Zeitgenossen, die weder sich selbst noch andere sonderlich mögen.

All dies kann mit einem ebenso kleinen wie schlechtgeredeten Molekül zu tun haben – beziehungsweise mit seiner Abwesenheit. Falls Sie sich bei einigen der genannten Beschwerden wiedererkennen, leiden wahrscheinlich auch Sie an einem chronischen Kohlendioxidmangel. Das hat einerseits mit den Mitochondrien in unseren Körperzellen zu tun und andererseits mit falschem Atmen. Betrachten wir als Erstes unsere Atmung: Viele Menschen verschleudern das lebenswichtige Kohlendioxid, weil sie überatmen. Überspitzt gesagt: Man hyperventiliert, ohne es zu merken.

Stress, Stress, STRESS!

Das mag absurd klingen, wo wir doch immer lesen und hören, die meisten Leute würden zu flach, zu wenig atmen und hätten deshalb einen Mangel an Sauerstoff. Das ist vielfach richtig, aber die vollständige Wahrheit ist etwas komplexer und hat viel mit unserer geschäftigen und aberwitzig schnellen Lebensweise von heute zu tun. Früher war der Alltag zumindest unter diesem Blickwinkel einfacher (und gesünder): Der Fluss des Lebens floss langsam dahin und die Menschen kannten kaum Stress, obwohl der Lebensunterhalt dem Körper mehr abverlangte. Das war gut, weil es die Sauerstoff-Kohlendioxid-Wippe für die Zellen in Bewegung hielt: Schweißtreibende Arbeit lässt zum einen im Körper mehr Kohlendioxid entstehen und veranlasst uns zum anderen, stärker zu atmen oder gar zu schnaufen, womit wir mehr Sauerstoff erhalten. Zudem führten die meisten gefährlichen Situationen einst dazu, dass man entweder vor dem bildlichen „bösen Wolf“ davonrannte oder sich ihm entgegenstellte. Sowohl Flucht- wie Kampfreaktion brachten den Stoffwechsel unserer Vorfahren auf Hochtouren, weil sie in der Regel körperlich auf eine Bedrohung reagieren mussten.

Doch heute rennen und schwitzen viele nur noch im Fitnesscenter, denn im modernen Großstadtdschungel lauern die Bedrohungen anderswo: Angst vor Jobverlust, Angst, die Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können, Angst vor Klimawandel, vor Krieg, vor Pandemien, vor zu wenig Followern auf Instagram, vor gehässigen Kommentaren im Netz. Vor keiner dieser diffusen Gefahren kann man davonrennen, keine lässt sich im Zweikampf niederringen. Das führt zu unterschwelligem Stress, der unser Gemüt schleichend verdüstert und die Körperzellen vergiftet. Die physiologischen Auswirkungen dieser im Körper aufgestauten Energieblockaden richten vielerlei Schaden an, wie die Medizin inzwischen weiß.

Weit weniger bekannt ist hingegen, welche Rolle diesbezüglich unsere Atmung spielt. Werden wir entsprechend getriggert, verfallen wir automatisch in eine Fehlatmung und stoßen viel zu viel Kohlendioxid aus. Der häufigste Auslöser ist auch der gefährlichste, weil er unseren inneren Klingelknopf fast ständig gedrückt hält: eben der chronische Stress, in dem wir uns tagtäglich gefangen fühlen. Weil wir mittlerweile ganz gut gelernt haben, uns sogar im Sitzen innerlich furchtbar zu stressen, atmen wir oft übermäßig CO2 aus – bewegen uns aber nicht genügend, um durch die körperliche Aktivität das fehlende Kohlendioxid in ausreichenden Mengen in den Zellen zu produzieren. Ein Teufelskreis, der einen tatsächlich in die Notaufnahme bringen kann.

Zum Glück ist das dysfunktionale Atmen vor allem eine schlechte Angewohnheit. Irgendwann haben wir uns nämlich so daran gewöhnt, dass diese Fehlfunktion fest in unseren neuronalen Gehirnwindungen verankert ist und wir sehr leicht in dieses Muster fallen. So konditionieren wir uns selbst, weil das Atemverhalten eben auch lernbar ist. Doch wenn wir die Mechanismen solcher Verhaltensmuster erkennen, können wir uns mit etwas Übung wieder davon befreien. Dann lösen sich viele der aufgezählten Beschwerden in Luft auf. Ganz ohne Arzt, Medikamente und Therapiekosten – und das ist doch wahrlich eine gute Nachricht!